Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) und
der für Entwicklungspolitik zuständige lettische EU-Kommissar Andris
Piebalgs haben anlässlich ihrer gemeinsamen Reise in die Krisenregion
um Pakistan die einmalige Herausforderung der Staatengemeinschaft für
die stabile Entwicklung insbesondere in Afghanistan unterstrichen. In
einem gemeinsamen Interview mit der „Leipziger Volkszeitung“
(Sonnabend-Ausgabe) rechnen beide ab 2014 mit einer neuen
Entwicklungswelle in Afghanistan. Nach derzeitigem Fahrplan sollen
ab 2014 die internationalen Kampftruppen aus Afghanistan abgezogen
werden. Niebel unterstrich zudem die Aufgabenstellung der Hilfe für
Afghanistan: „Wir sollten uns auch klar darüber sein: Wer meint, in
Afghanistan könne man eine Westminster-Demokratie aufbauen, der
erzählt Märchen.“
EU-Kommissar Piebalgs sagte der Zeitung: „Afghanistan ist dabei,
Stabilität zu entwickeln. Wir müssen mithelfen, eine Demokratie
aufzubauen und die Menschenrechte zu achten. Unser Engagement in
Afghanistan ist einmalig in der Welt. Soldaten sind da. Aber die
Zukunft liegt in der richtigen Entwicklungsarbeit.“ Piebalgs verwies
darauf, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten jährlich rund eine
Milliarde Euro für Entwicklungszusammenarbeit in Afghanistan
aufwendeten.
„Natürlich wird 2014 und später viel mehr Geld fließen müssen“,
stellte der EU-Kommissar klar. „Mit mehr Geld wird aber auch eine
neue Qualität bei der Entwicklungszusammenarbeit nötig sein.
Afghanistan ist die schwierigste Aufgabe der Entwicklungsarbeit, die
es je gab“, so der EU-Kommissar, der sich momentan gemeinsam mit
Bundesminister Niebel in Pakistan aufhält.
Für den Bundesentwicklungsminister steht fest, auch mit Blick auf
den Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan: „Wir wollen bis 2014 die
Grundlagen dafür schaffen, dass Kampftruppen abgezogen werden
können.“ Deshalb gebe es bis 2013 die Entwicklungsoffensive der
Bundesregierung mit bis zu 430 Millionen Euro jedes Jahr für den
zivilen Aufbau. „2014 soll die Verantwortung für die Sicherheit zu
100 Prozent bei den Afghanen liegen. Wir werden aber bestimmt weiter
mit Soldaten und Polizisten einheimische Kräfte weiter ausbilden.“
Hand in Hand damit stehe die Hilfe zum weiteren zivilen Aufbau. „Aber
es darf keine Neverending Story werden“, betonte Niebel. „Irgendwann
sollen afghanische Autoritäten selbst in der Lage sein,
Ausschreibungen für Straßen auf den Weg zu bringen, ohne dass das
Geld in dunklen Kanälen verschwindet.“
Immer dann, wenn ein gewisser Sicherheitsrahmen geschaffen worden
sei, müsse für die Menschen eine Friedensdividende erkennbar sein.
„Wir wollen keine militärisch eingebettete Entwicklungskooperation,
keine Hilfe in der Befehlskette des Militärs. Es gilt das Primat der
Politik. Aber dort, wo ein sicherer Rahmen von Militär und
anschließend Polizei hergestellt worden ist, sollten die Menschen
möglichst zeitnah sehen, dass sie etwas davon haben“, hob Niebel
hervor. „Es gibt keine positive Entwicklungsarbeit ohne ein Minimum
an Sicherheitsrahmen. Das heißt, wir können uns Sicherheit auch mit
noch so viel Geld nicht erkaufen.“
Niebel unterstrich den erstmaligen Charakter der Reise eines
Entwicklungsministers mit dem zuständigen EU-Kommissar in eine
Krisenregion: „Noch nie sind ein EU-Kommissar und ein Bundesminister
zusammen auf Auslandsreise gegangen. Allein das zeigt, wie wichtig
Europa die Region um Pakistan und Afghanistan nimmt.“ Europa gehöre
zu den größten Gebern. „Wir wollen und brauchen hier Stabilität. Dass
wir zusammen reisen, zeigt auch, dass wir noch besser werden müssen
bei der Koordinierung dessen, was wir hier leisten.“
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