LVZ: Europarat beklagt bedrohlichen Zulauf für ausländerfeindliche Parteien / Bericht zur offenen Gesellschaft als „intellektuelle Antwort“ auf Sarrazin

Der Generalsekretär des Europarates, Thorbjörn
Jagland, sieht „einen bedrohlichen Zulauf“ für ausländerfeindliche
Parteien in mehreren Mitgliederstaaten. „Radikalisierung und Bildung
von Parallelgesellschaften innerhalb Europas gefährden unsere
Sicherheit“, meinte Jagland gegenüber der „Leipziger Volkszeitung“
(Mittwoch-Ausgabe).

Vor dem Hintergrund der Debatte um Rassismus- und
Zuwanderungsthesen des deutschen SPD-Politikers Thilo Sarrazin mahnte
Jagland „gemeinsame Lösungen“ an, die den Zusammenhalt in unserer
Gesellschaft fördern. „Die Multikulturalismus-Kritik von
Bundeskanzlerin Merkel, des englischen Premierministers Cameron und
von Frankreichs Präsident Sarkozy hat eine wichtige Debatte
angestoßen, obgleich sie falsch verstanden wurde“, meinte Jagland.

Als „intellektuelle“ europäische Antwort auf Hobbyforscher
Sarrazin erarbeitete eine hochrangige Expertengruppe des Europarates,
der unter anderem Ex-Nato-Generalsekretär Javier Solana, der
britische Historiker Timothy Garton Ash und Deutschlands früherer
Außenminister Joschka Fischer angehörten, einen Bericht zum
Zusammenleben im Europa des 21. Jahrhundert, der heute in Istanbul
auf dem Gipfel des Ministerrates der 47 Europarats-Länder vorgestellt
wird.

Darin wird der Europarat aufgefordert, einen konkreten
„Aktionsplan“ zu formulieren und ein oder zwei internationale
Politiker zu benennen, die die Integration als Beauftragte für die
offene Gesellschaft europaweit vorantreiben sollten. In dem Bericht
werden die Europaratsstaaten zu einem modernen
Staatsbürgerschaftsrecht aufgefordert, das unter anderem zumindest
das kommunale Wahlrecht für alle langfristig Aufenthaltsberechtigten
vorsieht und die Trennung von Jungen und Mädchen im Sportunterricht
nicht tolerieren soll.

„Religion und Herkunft können nicht als ,Ausrede– akzeptiert
werden, sich nicht an Recht und Gesetz zu halten“, fordert der
Bericht. Zugleich wird darauf verwiesen, dass es „viel zu wenig
politische Führungspersönlichkeiten in Europa gibt, die sich klar und
ehrlich zur Notwendigkeit der Einwanderung bekennen und dieses Thema
positiv besetzen.“ Amtsträger und andere öffentliche Personen seien
„verpflichtet, gegen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit Stellung zu
beziehen“, da „ausländer- und einwanderungsfeindliche Parteien und
Gruppen die Polarisierung und Spaltung der Gesellschaft fördern,
genauso wie der radikale Islamismus“.

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