Milliardenkuerzungen bei Forschung zu Gunsten des ITER-Projekts verhindern

Anlaesslich der heutigen Sachstandsunterrichtung der Bundesregierung zum ITER-Projekt im Ausschuss fuer Bildung, Forschung und Technikfolgenabschaetzung erklaeren der bildungs- und forschungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Ernst Dieter Rossmann und der stellvertretende forschungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion René
Roespel:

Die Bundesregierung hat heute im Ausschuss fuer Bildung, Forschung und Technikfolgenabschaetzung einen Sachstandsbericht zur Kostenexplosion und dem weiteren Vorgehen des ITER-Projektes gegeben und erklaert, dass am 12. Juli 2010 die diesbezueglichen Schlussfolgerungen des Europaeischen Rates verabschiedet werden sollen. Diese Vorschlaege sind in dieser Form nicht zustimmungsfaehig. In dem genannten Entwurf des Rates der Europaeischen Union ist ein klares Bekenntnis „fuer einen erfolgreichen Abschluss des ITER-Projektes“ enthalten sowie der Hinweis, dass der Rat sich bewusst ist, dass hierfuer voraussichtlich europaeische Mittel in Hoehe von 6,6 Milliarden Euro notwendig sind. Vor dem Hintergrund, dass die Finanzierung des Projektes nach wie vor nicht geklaert ist, erscheint eine derartig langfristige Zusage nicht verantwortbar. Zwar raeumte die Bundesregierung ein, dass sich fuer die Jahre 2012/13 die schwierige Frage stelle, wie die Mehrkosten des europaeischen Anteils von 1,4 Milliarden Euro finanziert werde und dass diese Mittel prioritaer aus dem Haushalt 1 A – also dem EU-Forschungsetat bestritten werden sollen. Das bedeutet, dass ein nicht unerheblicher Teil der Mittel des Forschungsetats im Haushalt 1A (Gesamt etwa 14,5 Milliarden, davon Forschung etwa
7,5 Milliarden Euro) bereits fest fuer das ITER-Projekt gebunden wuerden und die forschungspoltischen Spielraeume gleich null sind. Es besteht somit die Gefahr, dass die Arbeit exzellenter Projekte wie dem Europaeischen Forschungsrat (ERC) oder die weitere Erforschung alternativer Energie oder von Energieeffizienz darunter leiden werden. Die Finanzierung nach
2013 ist zudem noch voellig offen, da hierueber erst im Rahmen der finanziellen Vorausschau entschieden werden koenne. Auch ist voellig offen, ob das Europaeische Parlament diesen Finanzierungsvorschlag unterstuetzt; sollte das Europaeische Parlament die Bedenken teilen und diesem Vorschlag nicht zustimmen, ist die Finanzierung des ITER-Projektes voellig unzureichend und es steht zu befuerchten, dass die Mittel sogar zu einem grossen Teil ueber Mitgliedsstaatenbeteiligung zu Lasten des Bundesforschungshaushaltes gehen koennen.

Leider hat die Bundesregierung bisher zudem die Fragen nach einem denkbaren Ausstieg aus dem ITER-Projekt und den sich daraus ergebenden Kosten nur sehr unzureichend beantwortet. Die Bundesregierung erklaert lediglich, dass sie einen Ausstieg aus dem ITER-Projekt ablehne und dass sie keine Veranlassung sehe, einen Ausstieg ueberhaupt nur zu pruefen. Zugleich erklaert sie aber, dass sie die seitens der Europaeischen Kommission genannten Darlegungen und insbesondere den dort benannten finanziellen Schaden, den Europa durch einen Ausstieg zu tragen haette, nicht teile. Wie die Bundesregierung ohne eigene Pruefung zu dieser Ansicht kommt, bleibt sie dem Parlament wie auch die konkrete Bezifferung des denkbaren finanziellen Schadens leider schuldig. Unter diesen Umstaenden ist es dem Parlament absolut unmoeglich, moegliche Alternativen sorgfaeltig zu ueberpruefen und denkbare Ausstiegsszenarien zu bewerten.

Aus diesen Gruenden fordert die SPD-Bundestagsfraktion die Bundesregierung auf, dem Entwurf von Schlussfolgerungen „Aktueller Stand ITER und Zukunftsperspektiven“, der am 12. Juli 2010 dem Agrarrat zur Entscheidung vorgelegt wird, nicht zuzustimmen und eine Zustimmung – neben einer sanktionsbewaehrten Kostendeckelung – davon abhaengig zu machen, dass eine Finanzierung des europaeischen Anteils seitens der EU sichergestellt wird und dass diese nicht zu Lasten wichtiger Zukunftsinvestitionen des Forschungsetats oder des 1A-Etats insgesamt geht. Denn es darf nicht sein, dass ein einziges Forschungsprojekt zu Lasten der gesamten Forschungslandschaft geht. Die Bundesregierung sollte sich vielmehr dafuer einsetzten, dass die Wirtschaft staerker in die Finanzierung von ITER eingebunden wird.

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