Man hätte die Uhr danach stellen können, wann die
Diskussion über das in Wahrheit unbegreifliche Verbrechen von Oslo in
eine Ritualschlacht der allzu vorhersehbaren Argumente der allzu
schlichten Welterklärungsmodelle ausartet. Und so sind sich denn –
mal wieder – die Linken einig, dass im Prinzip die Rechten schuld
sind, die wiederum mit dem Finger auf die Linken zeigen. Jeder findet
im wirren Zitate-Konvolut des Massenmörders die Belege für seine
ohnehin feststehende Meinung. Geistige Brandstifter sind im jeweils
anderen Lager ebenso schnell ausgemacht wie unkritische Blindheit für
verheerende gesellschaftliche Verspannungen. Verbotsforderungen,
Vorwürfe, Verantwortungszuweisungen durchkreuzen die sich aufladende
Atmosphäre. Irgendwo im nahen oder fernen Osten sitzen derweil
Al-Kaida-Ideologen und reiben sich die Hände, dass sie die Terroridee
so perfekt verselbstständigt haben, dass jetzt sogar ihre geistigen
Feinde den eigenen Feldzug gleich für sie miterledigen.
Rechtsextremisten sind klammheimlich mit dem Motiv einverstanden,
vielleicht nicht unbedingt mit der Tat. Hassprediger,
Ideologiefetischisten, Fantasten, Spinner und
Verschwörungstheoretiker aller Couleur machen sich ihren Reim.
Politiker bringen das immer gleiche Rad des ergebnislosen
Konsequenzenziehens in fruchtlosen Schwung. Und die Opfer sind tot
oder verletzt und die Angehörigen trauern. Natürlich muss nach Oslo
über Sicherheit diskutiert werden, gehört über geistige Nährböden und
gesellschaftliche Rahmenbedingungen nachgedacht. Doch noch so lautes
rhetorisches Kriegsgeschrei hilft nicht an der bitteren Erkenntnis
vorbei, dass der Spezies Mensch seelische Abgründe möglich sind, in
die man manchmal nur rat- und hilflos blicken kann.
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