Ist ein strafrechtliches Urteil rechtskräftig, kann es nicht mehr angefochten werden. Dieser als res judicata bezeichnete Grundsatz ist wichtig für die Stabilität und den Rechtsfrieden. Alle Beteiligten haben ein Interesse daran, dass das Verfahren ohne die Möglichkeit einer Wiederaufnahme abgeschlossen wird. Die Strafprozessordnung lässt jedoch unter ganz bestimmten Voraussetzungen eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu. Ein fachlich qualifizierter Anwalt kann diesbezüglich ausführlich beraten.
Die Paragraphen 359 ff. geben einen begrenzten Spielraum für die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Aufhebung von Fehlentscheidungen. Sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft können die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragen. Dabei handelt es sich nicht um ein herkömmliches Rechtsmittel wie Berufung oder Revision, sondern um eine einzigartige rechtliche Möglichkeit. Der Antrag des Verurteilten lässt die Rechtswirkungen des Urteils unberührt. Das bedeutet, dass die gegen den Verurteilten verhängte Strafe bis zur Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag in Kraft bleibt.
So läuft das Wiederaufnahmeverfahren üblicherweise ab
Das Wiederaufnahmeverfahren gliedert sich in drei Phasen. Zunächst wird die Zulässigkeit des Wiederaufnahmeantrags geprüft. Dabei wird geprüft, ob der Antragsteller einen triftigen Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens vorgebracht hat. Anschließend prüft das Gericht die geltend gemachten Wiederaufnahmegründe auf ihre Stichhaltigkeit. Führt die Prüfung zu dem Ergebnis, dass der Wiederaufnahmeantrag zulässig ist, wird der Sachverhalt erneut geprüft und das frühere Urteil aufgehoben.
Das Wiederaufnahmeverfahren ist kein einfaches Verfahren, und nach den bisherigen Erfahrungen ist die Erfolgsquote eher gering. Der Verurteilte muss hohe rechtliche und gerichtliche Hürden überwinden, damit sein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens überhaupt als zulässig angesehen wird. Der Gesetzgeber hat diese Schwierigkeiten erkannt und deshalb einen Anwaltszwang eingeführt. Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens kann nur durch einen vom Verteidiger oder einem anderen Rechtsanwalt unterzeichneten Schriftsatz gestellt werden. Darüber hinaus kann der Verurteilte die Bestellung eines Verteidigers zur Vorbereitung des Wiederaufnahmeverfahrens beantragen.
In welchen Fällen ist ein Wiederaufnahmeverfahren zulässig?
359 Nr. 1-6 StPO zählt abschließend die Fälle auf, in denen ein Wiederaufnahmeantrag zugunsten des Verurteilten zulässig ist. Dazu gehören die Fälle, in denen eine in der Hauptverhandlung als echt vorgelegte Urkunde gefälscht worden ist oder ein Zeuge vorsätzlich falsch uneidlich ausgesagt hat. Von besonderer Bedeutung ist § 359 Nr. 5 StPO, der die Wiederaufnahme des Verfahrens ermöglicht, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht werden, die allein oder in Verbindung mit den bisherigen Beweismitteln geeignet sind, die Freisprechung des Angeklagten oder eine mildere Strafe zu begründen.
Vorlage neuer Tatsachen oder Beweise erforderlich
Das Thüringer Oberlandesgericht stellte fest, dass neue rechtliche Gesichtspunkte wie der Wegfall oder die Änderung des der Verurteilung zugrunde liegenden Strafgesetzes oder eine Änderung der Rechtsprechung zugunsten des Verurteilten nicht ausreichen, um einen Wiederaufnahmeantrag zu begründen.
Der Gerichtshof stellte auch klar, dass Tatsachen nur dann als neu gelten, wenn sie in der Hauptverhandlung nicht erörtert wurden, unabhängig davon, ob sie im Urteil ihren Niederschlag gefunden haben. Selbst wenn ein Zeuge in der Hauptverhandlung übersehen oder missverstanden wurde, kann er nicht als „neuer“ Beweis angesehen werden, solange er in der Hauptverhandlung gehört wurde. Dabei handelt es sich um Beweismittel, die nicht verwendet wurden oder völlig unbekannt sind, die aber grundsätzlich geeignet sind, eine Entscheidung über Maßnahmen zu begründen. Dies kann ein Zeuge sein, der in der Hauptverhandlung nicht gehört wurde, oder ein Sachverständiger, den das Gericht nicht gehört hat. Solche Beweismittel können dazu dienen, einen Freispruch oder eine mildere Strafe zu begründen.
Manche Dinge sind für bestimmte Situationen aber gänzlich ungeeignet. So kann ein Zeuge, der sich an Ereignisse erinnern soll, die zehn Jahre zurückliegen, nicht glaubwürdig sein, weil sein Erinnerungsvermögen fraglich ist. Auch ein Lügendetektortest ist vor Gericht nicht zulässig, da die Genauigkeit eines Lügendetektors von der Rechtsprechung als unzuverlässig angesehen wird.
Zielsetzung und Begründung des Wiederaufnahmeverfahrens
Der Antrag sollte folgende Ziele verfolgen: Freispruch des Angeklagten, Einstellung des Verfahrens wegen Verfahrensmängeln, alternative Entscheidung über Abhilfemaßnahmen und Verhängung einer Strafe nach einem milderen Gesetz. Die Verhängung einer milderen Strafe oder lediglich einer Bewährungsstrafe ist jedoch nicht zulässig.
Bei der Einreichung eines Wiederaufnahmeantrags ist es von entscheidender Bedeutung, vollständige und detaillierte Beweismittel zur Unterstützung des Falls vorzulegen. Neue Beweismittel und ihre Relevanz für den Antrag müssen klar identifiziert und erläutert werden. Das zuständige Gericht wird keine zweifelhaften Beweise oder Tatsachen akzeptieren, und der Grundsatz „in dubio pro reo“ wird in dieser Situation keine Anwendung finden. Darüber hinaus wird das Gericht Anträge zurückweisen, die formale Mängel aufweisen, wie z.B. unvollständige oder nicht schlüssige Darstellungen.