Mittelbayerische Zeitung: Absurd, absurder Erdogan / Der türkische Präsident gefährdet mit seinen Ausfällen die Beziehungen zu Deutschland und zur EU.

Am Ende der Geduld wartet der Segen, besagt ein
türkisches Sprichwort. Sollen sich also die vom türkischen
Präsidenten so unsäglich geschmähten Politiker, von der deutschen
Kanzlerin Angela Merkel bis zum niederländischen Premier Mark Rutte,
nun still in Geduld fassen, den Mund halten, einfach abtropfen
lassen? Bis, ja bis wann denn? Bis Erdogan wieder zur Vernunft kommen
sollte? Bis nach dem Verfassungsreferendum am 16. April? Bis sich die
Beziehungen wieder normalisiert haben? Leider sind das alles nur
fromme Wünsche. Niemand kann sagen, ob Recep Tayyip Erdogan im Fall,
er gewinnt die machterweiternde Abstimmung, wirklich wieder zu
normalen Beziehungen zu seinen Partner zurück kehren wird. Für den
Fall, sein Vorstoß bekommt keine Mehrheit der türkischen Wählerinnen
und Wähler, dürfte ohnehin noch mehr Irrationalität, noch mehr
trotzige Machtdemonstration und Unterdrückung seiner Gegner im Innern
und absurde Feind- und Verschwörungsrhetorik gegen das Ausland
angesagt sein. Dass der türkische Präsident nun allen Ernstes sogar
beim Internationalen Olympischen Komitee eine Verschwörung gegen den
Olympiabewerber Istanbul ausmachte, ist an Absurdität kaum zu
überbieten. Doch, vielleicht durch seinen Verteidigungsminister Fikri
Isik, der die deutschen Geheimdienste für den Putsch
mitverantwortlich macht. Absurd, absurder – Erdogan. Egal, wie das
türkische Referendum ausgehen wird, bereits heute steht fest, dass
der nach Alleinherrschaft strebende Staatspräsident mit seinen
unsäglichen Ausfällen und Nazi-Vergleichen – nun auch gegen die
Bundeskanzlerin persönlich – die Beziehungen Deutschlands und der
gesamten EU zur Türkei aufs Schwerste belastet hat. Nach den immer
neuen verbalen Entgleisungen Erdogans und seiner Minister können
Berlin, Brüssel und die anderen Hauptstädte nicht einfach zur
Tagesordnung übergehen. Mit leisetreterischer Beschwichtigungspolitik
ist dem Herrscher am Bosporus gleich gar nicht beizukommen. Also wie
sollen die europäischen Partner, die zudem fast alle dem selben
Militärbündnis angehören wie die Türkei, denn mit dem „Boss vom
Bosporus“ umgehen? Erstens mit kühlem Verstand. Auf die
ungeheuerlichen Nazi-Vergleiche von Erdogan darf nicht mit dem
gleichen Kaliber zurückgeschossen werden. Erdogan und seine
Lautsprecher brechen doch ganz bewusst das Tabu der Vergleiche mit
dem schrecklichen Nazi-Regime, weil sie damit in den betroffenen
Ländern die größtmögliche Empörung erzielen. Vor allem jedoch will
Erdogan damit bei türkischen Wählern punkten. Die Feinde des
Referendums, der geplanten undemokratischen Machterweiterung sind
nicht etwa Partner, sondern ganz finstere Gestalten, also Nazis.
Zweitens darf sich die EU nicht von Erdogan auseinanderdividieren
lassen, sondern sie muss seinem Anschlag auf die Demokratie, auf
Pressefreiheit und auf Grundrechte einheitlich und geschlossen
entgegentreten. Erdogan wird jeden noch so kleinen Spalt innerhalb
der Europäischen Union nutzen, um unsichere Kantonisten auf seine
Seite zu ziehen. Dem muss die Gemeinschaft der 28 Staaten einen
Riegel vorschieben. Auch Deutschland hat eine Ehre, auf der Erdogan
nicht herum trampeln darf. Und unsere Toleranz hat Grenzen. Drittens
schließlich muss dem „Verdruss vom Bosporus“ spürbar entgegengetreten
werden. Mit der ganzen Klaviatur über die die Diplomatie verfügt. Vor
allem aber sollten die Gelder der EU für Ankara gestoppt werden, die
für die Heranführung an die Union gezahlt werden. Wer seine Partner
derart unflätig beschimpft, darf nicht noch honoriert werden.

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