Mittelbayerische Zeitung: Angela allein Zuhaus?

Von Reinhard Zweigler

Der anstehenden CDU-Parteitag in Hannover wird von der Frau
geprägt, die die Parteikongresse der Christdemokraten bereits seit
zwölf Jahren dominiert: Angela Merkel. Die ostdeutsch-evangelische
Pastorentochter und Physikerin ist eine hocheffiziente Akrobatin der
Macht, die den großen Tanker CDU genau so steuert wie die
Bundesrepublik, deren Kanzlerin sie seit nunmehr sieben Jahren ist:
Solide, verlässlich, unaufgeregt – aber auch mit messerscharfem
Machtbewusstsein. Alle Politmachos in der Union, die Merkel vor zehn
Jahren für eine Art Betriebsunfall im Zuge der Spendenaffäre und
bestenfalls für eine Übergangsvorsitzende hielten, hat die Kanzlerin
gekonnt abserviert oder ins politische Abseits laufen lassen. Merz,
Koch, Wulff oder Oettinger, die sich als die besseren Vorsitzenden
oder gar Kanzler hielten, sind mehr oder weniger von der politischen
Bühne verschwunden. Doch hinter großen Vorsitzenden tut sich ein Loch
auf, personell wie politisch und programmatisch. Wohin die Union
künftig steuert, darüber wird nicht kontrovers und von profilierten
Köpfen gestritten, sondern dies folgt den Vorgaben aus dem
Kanzleramt. Mit Blick auf die Regierungspartei CDU könnte man auch
sagen: Angela allein zu Haus. Die Kanzlerin fühlt sich ganz wohl
dabei. Sie ist erfolgreich damit. Angela Merkel, die
respektvoll-respektlos „Mutti“ genannt wird, steht gleichwohl auf dem
Höhepunkt ihrer Macht. Sie genießt mehr Ansehen als die eigene Partei
– und es ist nicht abzusehen, dass sie sich vom Zenit wieder ins Tal
der politischen Zweitklassigkeit begeben will. Auch auf dem Parteitag
in Hannover sind keine ernsthaften Kontroversen gegen Merkels
Politik, erst recht nicht gegen ihre Person zu erwarten. Angela
Merkel ist die CDU, so wie die Partei sie gleichsam wie eine
Heilsbringerin verehrt. Die Glaubwürdigkeit, Berechenbarkeit und
Verlässlichkeit Merkels ist so etwas wie die politische
Überlebensversicherung der Union. Sie umgibt sich mit der
Lebenserfahrung der einfachen schwäbischen Hausfrau, die sich um das
Auskommen der kleinen Leute sorgt, genauso wie mit der Raffinesse der
ausgebufften Staatsfrau, die bei der Euro-Rettung das Geld der
Deutschen zusammenhält. Das kommt an. In Berlin, genauso wie in
Brüssel, Washington oder Peking. Für Vorträge irgendwo Geld zu
kassieren, wie es ihr Kanzlerkandidatenkonkurrent von der SPD, Peer
Steinbrück, tat, käme Merkel genauso wenig in den Sinn, wie über den
siechenden Koalitionspartner FDP öffentlich schlecht zu reden. Merkel
hat dem Kanzleramt den Anstand verliehen, den manche zuvor verloren
gegangen sahen. Zugleich ist Merkel die vorausschauende „Über-Mutti“
ihrer Partei. In kurzer Zeit hat sie die einst so behäbige
konservativ-christliche Kohl-Partei zum Abschied von der Wehrpflicht,
der Atomkraft und zum Einstieg in Mindestlöhne gedrängt. Dabei ging
Merkel aber immer nur ein begrenztes Risiko ein, versuchte nie, den
Bogen zu überspannen. Sie ließ immer auch einen konservativen
Kernbestand von Werten bestehen, hinter dem sich die Stammklientel
sammeln konnte. Ihre Ablehnung der steuerlichen Gleichstellung von
gleichgeschlechtlichen Paaren ist solch ein Entgegenkommen an den
konservativen Flügel. Ähnlich wie die windelweiche Frauen-Flexi-Quote
für Aufsichtsräte oder die Unterstützung für bessere Renten für
Mütter, die auch CSU-Chef Seehofer immer wieder anmahnt. Der
Parteitag wird über diese und andere Themen moderat diskutieren,
keinesfalls streiten. Vor allem aber wird der Kongress die
unumstrittene Vorsitzende feiern. Und die ist flexibel genug, den
einen oder anderen Schwenk in ihrer Politik auszuführen, ohne, dass
die Partei aufbegehrt. Merkel hat eine Menge vom Machtmenschen Helmut
Helmut Kohl gelernt – und noch viel Neues dazugetan.

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