Niemand kann sagen, er hätte es nicht gewusst.
Tatsächlich sprach Donald Trump im Wahlkampf monatelang über kaum
etwas anderes mit größerer Leidenschaft als das: Den Bau einer Mauer
an der Südgrenze zu Mexiko, einen Einreisebann für Muslime und die
Massen-Deportation von bis zu elf Millionen Einwanderern. Im Eiltempo
versucht er als Präsident, seine Hetze gegen Migranten und Muslime in
die Praxis umzusetzen. Ob diese vor den Gerichten Bestand haben wird,
darf man seit dem Desaster um den Einreisestopp für Besucher aus
sieben mehrheitlich muslimischen Ländern in Frage stellen.
Unmittelbar schafft Trump damit aber ein beklemmendes Klima der
Angst, das den Alltag von Millionen rechtschaffener Familien
terrorisiert. Diese sind mit den neuen Abschiebe-Richtlinien des
Heimatschutz-Ministeriums ab sofort der Willkür der
Einwanderungspolizei ICE ausgesetzt. Für eine Deportation reicht es,
wenn einem Beamten die Nase eines umdokumentierten Einwanderers nicht
passt. Oder jemand am Zebrastreifen nicht stehen bleibt. In Trumps
Amerika gilt zudem jeder per definitionem als kriminell, der sich
ohne Erlaubnis im Land aufhält. Ungeachtet der Tatsache, dass niemand
mehr von den billigen Arbeitskräften profitiert hat, als die
Amerikaner selbst. „Illegale“ putzen die Häuser, mähen den Rasen,
behüten die Kinder und erledigen alle möglichen Drecksarbeiten, für
die sich sonst niemand findet. Die findige Steuerbehörde IRS schuf
eigens eine „ID“, um die Kassen des Fiskus zu füllen. Die
Rentenversicherung richtete einen Fonds ein, in den Einwanderer über
die vergangenen zehn Jahre rund 100 Milliarden Dollar einzahlten –
ohne jemals Anspruch auf nur einen Cent zu haben. Menschen zu
kriminalisieren, auf deren harter Arbeit ein Teil des Wohlstands der
USA beruht, widerspricht angesichts des stillschweigenden
Gesellschaftsvertrags jedem Sinn von Gerechtigkeit und Fairness. Dass
Heimatminister Kelly keinen Unterschied mehr machen will zwischen
gerichtlich verurteilten Straftätern und Menschen, die über die grüne
Grenze kamen, zeugt von der Gemeinheit einer Politik, die obendrein
auf einer Legende beruht. Die in den Memos behauptete „Überwältigung
der Bundesbehörden“ an der südlichen Grenze, die zu einer
„erheblichen Verletzlichkeit der Sicherheit der Vereinigten Staaten“
führte, ist nicht mehr als eine Scheinkrise. Tatsächlich liegt die
Zahl der illegalen Übertritte bei einem Viertel der von 2000. Netto
wandern mehr Mexikaner aus den USA aus als ein. Und auch bei wirklich
gewalttätigen Straftätern, dürfte Trump eher in den Nachbarschaften
seiner Anhänger fündig werden, als bei nicht dokumentierten
Einwanderer. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein legaler Einwohner der
USA hinter Gitter landet, ist fünf Mal höher als dass ein „Illegaler“
straffällig wird. Einmal mehr bewegt sich die Trump-Regierung damit
in einer faktenfreien Zone. Leider macht das für die Betroffenen
keinen Unterschied. Viele können nachts nicht mehr schlafen, trauen
sich nicht mehr hinters Steuer oder zucken zusammen, wenn es an der
Haustür klopft. So lebt es sich nicht in einem freien Land, sondern
in einem Polizeistaat. Trumps Abschiebe-Direktiven drohen den
Charakter der USA selbst zu verwandeln. Wenn Amerika den Ehrgeiz, das
Genie und die Tatkraft seiner Einwanderer nicht mehr als Bereicherung
begreift, die Grenzen dicht macht und die Angehörigen eine
Weltreligion diskriminiert, steht mehr als sein Wohlstand auf dem
Spiel. Das Land droht sein Herz zu verlieren.
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