In einer verfahrenen Situation gelingt ein
Befreiungsschlag oft nur durch Vermittlung von dritter Seite: So
gesehen ist es zunächst einmal begrüßenswert, dass sich die
Afrikanische Union endlich in Libyen einmischt. Denn ohne einen Plan
B, der in diesem Fall wohl nur von neutraler Stelle kommen kann, wird
sich der blutige Bürgerkrieg noch sehr lange hinziehen. Aus dem
Luftkrieg der Nato-Allianz gegen Gaddafis Truppen hat sich nämlich
inzwischen auf dem Boden ein verbissener Stellungskrieg zwischen der
libyschen Armee und den Aufständischen entwickelt. Selbst die
Teilerfolge der Rebellen mit der Rückeroberung wichtiger Städte im
Osten des Landes können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Gaddafi in
Tripolis nach wie vor fest im Sattel sitzt. Und es mutet illusorisch
an, dass die schlecht bewaffneten Revolutionäre jemals die bestens
verteidigte Hochburg des Tyrannen schleifen könnten. Außerdem kann
sich wohl niemand ernsthaft einen Häuserkampf in der
Millionenmetropole wünschen. Um den Plan der Afrikanischen Union in
einen tragfähigen Frieden umzumünzen, bedarf es außer
verheißungsvollen Worten auch weitreichender Taten. Denn das Einzige,
was dem diplomatischen Vorstoß bislang eine Zukunft verspricht ist
die Tatsache, dass er vom Schwarzen Kontinent selbst stammt – und
nicht aus dem Westen. Der Vermittlungsversuch wird also in Libyen
nicht automatisch als Einmischung der früheren Kolonialmächte
zurückgewiesen. Doch dass Gaddafi jetzt Ja und Amen zu dem
Friedensplan sagt, heißt erst einmal gar nichts. Der Oberst ist ein
mit allen Wassern gewaschener Taktierer, der mit seiner Zustimmung zu
der Initiative nichts verlieren kann. Dafür gewinnt er aber Zeit, um
den Status quo zu festigen. Und er kann darauf spekulieren, dass die
Phalanx seiner Gegner, solange ihnen der entscheidende Erfolg verwehr
bleibt, mehr und mehr bröckelt. Für Gaddafi ist das nur ein weiterer
Schachzug in einem Katz-und-Maus-Spiel, an dessen Ende er wie sooft
zuvor schon triumphieren könnte. Umso verständlicher ist das mulmige
Gefühl, das die Rebellen bei dem Friedensplan beschleicht. Weder
garantiert er, dass die Armee nicht bei nächster Gelegenheit wieder
gegen die von ihnen eroberten Städte losschlägt, noch gewährt er
ihren Anführern Sicherheit vor Mordkommandos des Tyrannen. Doch so
plausibel die Forderung erscheint, dass Gaddafi samt seinem
Kleptokraten-Clan für einen Frieden weichen muss, so sicher ist auch,
dass der Herrscher samt seinen privilegierten Günstlingen niemals
freiwillig abtreten wird. Hier zeigt sich der Pferdefuß des
afrikanischen Vermittlungsversuchs. Um eine stabile Waffenruhe zu
erreichen, wird man um die Entsendung einer Friedenstruppe nicht
herumkommen – sei es unter afrikanischem oder unter UN-Kommando.
Damit würde sich die Staatengemeinschaft jedoch auf vermintes Gelände
wagen, ohne die Wurzel des Übels auszureißen. Einer
Boden-Intervention mit dem Ziel, Gaddafi gewaltsam vom Thron zu
stoßen, würde sich kaum ein Staat anschließen. Zu hoch wären die
Risiken für die eigenen Soldaten. Also bliebe nur ein humanitärer
Einsatz mit dem Ziel, die Zivilisten zu schützen. Eine solche Mission
würde zunächst zur Teilung des Landes in das Gaddafi-feindliche und
das von Gaddafi beherrschte Libyen führen. Und die Friedenstruppe
müsste jederzeit mit tödlichen Angriffen rechnen – Afghanistan lässt
grüßen. Dennoch könnte eine Blauhelm-Mission wenigstens zu kleinen
Erfolgen führen. Sie würde wesentlich zum Überleben der Opposition
beitragen. Und sie würde weitere Massaker an der Bevölkerung
verhindern. Beides wären Siege der Menschlichkeit über die Tyrannei.
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