Mittelbayerische Zeitung: Denkzettel für Bayerns Parteien

Von Christine Schröpf

Umfragen sind nur Momentaufnahmen. Das stimmt. Doch die Ergebnisse
der beiden aktuellen Stimmungstests im Auftrag des Bayerischen
Rundfunks und des Fernsehsenders Sat.1 liefern eine solche Vielzahl
aufrüttelnder Ergebnisse, dass sie von den Parteien nicht mit einem
Achselzucken ad acta gelegt werden können. Die Sprengkraft steckt im
Detail: Dort, wo zum Beispiel Glaubwürdigkeitsprobleme und
alarmierende Kompetenzverluste aufgelistet werden. Die Sonntagsfrage,
die ein weiteres Mal ein Kopf-an-Kopf-Rennen der CSU mit einem
Dreier-Bündnis aus SPD, Grünen und Freien Wählern bestätigt, ist vor
diesem Hintergrund nur ein Randaspekt. Zuallererst müssen sich die
Liberalen den Kopf zerbrechen. An vorderster Front: FDP-Landeschefin
und Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Die
hoch angesehene Politiker agiert bisher vor allem auf der Berliner
Bühne, setzt in Bayern zu wenig Akzente. Ein fahrlässiges Verhalten.
Der Bayerntrend stellt der FDP im Freistaat ein verheerendes Zeugnis
aus: Die Bürger honorieren die Regierungsarbeit der CSU, nicht aber
die der FDP. Sie trauen den Liberalen selbst auf dem Kernfeld der
Wirtschafts- und Finanzpolitik nichts zu. Die Fortsetzung der
schwarz-gelben Koalition nach der Landtagswahl 2013 wünscht sich nur
jeder Vierte, stattdessen gilt eine Große Koalition aus CSU und SPD
als Traumpaarung. Die Probleme der FDP sind hausgemacht. Sie lassen
sich nicht auf den Abwärtssog der Bundes-FDP reduzieren. Auch
CSU-Chef Horst Seehofer taugt nicht als Sündenbock. Er hat die
Liberalen 2011 kaum getriezt, sondern ihnen bei vielen Gelegenheiten
den Rücken gestärkt. Der FDP Kraft zu geben, ist ohnehin nicht
Aufgabe der CSU. Seehofer steht selbst vor einer Herkulesaufgabe:
Seine Partei zur absoluten Mehrheit zu führen, oder der CSU
angesichts einer potenziell wegbrechenden FDP neue
Koalitionsmöglichkeiten zu eröffnen. Das alles natürlich, ohne die
Liberalen vor den Kopf zu stoßen. Seehofer kann aus dem Bayerntrend
viel Beruhigendes herauslesen: 65 Prozent der Menschen halten ihn für
einen guten Ministerpräsidenten – ein Plus von neun Prozent. Er gilt
als führungsstark, kompetent in Wirtschaftsfragen und als Mann, der
die wichtigen Probleme Bayerns lösen kann. Im Direktvergleich mit
seinem SPD-Herausforderer für die Landtagswahl 2013 hat er die Nase
vorn. Doch der Vorsprung kann schrumpfen. Seehofers größtes Manko:
Mangelnde Glaubwürdigkeit, die seinen Ruf als „Herz-Jesu-Sozialist“
torpediert. So verpufft seine Kritik an der Rente mit 67, weil sie
nicht ernst genommen wird. Das bringt den Rivalen Christian Ude in
Vorteil. Denkzettel auch für Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger: So
gern er die CSU 2013 in die Opposition verbannen würde – beim eigenen
Klientel müsste er davor viel Überzeugungsarbeit leisten. Das teilt
zwar Aiwangers Skepsis gegenüber Seehofer, findet ein Bündnis aus
Freien Wählern, SPD und Grünen aber alles andere als erste Wahl.
Aiwanger ahnt es längst, was sein Lavieren zwischen den Fronten
beweist. Gut eineinhalb Jahre vor der Landtagswahl sind die
Machtverhältnisse offen. Unbekannte Größe: Der Guttenberg-Faktor.
Auch wenn der Freiherr viel Reputation eingebüßt hat, könnte er bei
Gründung einer eigenen Partei derzeit in Bayern mit zehn Prozent
rechnen. Wählerstimmen würde Karl-Theodor zu Guttenberg aber vor
allem bei der CSU abfischen, die in dieser Rechnung auf 36 Prozent
zurückfiele. Auch eine potenzielle „Gutti-Partei“ ist also keine
Option für eine neue konservative Regierungsmehrheit. Wäre ja auch zu
spaßig: Seehofer als Ministerpräsident, Guttenberg als Vize – und
damit die Repräsentanten der treuen und der enttäuschten CSU-Anhänger
wieder an einem Kabinettstisch vereint.

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