Je länger sich die Brexit-Verhandlungen
hinziehen, desto unwirklicher kommt einem die Prozedur vor.
Premierministerin Theresa May, die angetreten war, einen guten Deal
für ihr Land herauszuschlagen, sind inzwischen große Teile ihres
Kabinetts abhanden gekommen. Fast ist man erleichtert, wenn
Chefunterhändler David Davis mit schöner Regelmäßigkeit in Brüssel
aufschlägt. Bei so vielen Turbulenzen im Londoner Regierungsbezirk
könnte auch sein Stuhl bald wackeln. Die EU zeigt sich hingegen
weiterhin erstaunlich geschlossen und konsequent. Sämtliche britische
Versuche, die Mitgliedsstaaten mit ihren Interessen gegeneinander
auszuspielen und zu spalten, scheiterten bislang – was die Europäer
selbst wohl am meisten überrascht. Aber es zeigt sich eben, dass
Großbritannien die EU weit mehr braucht, als es umgekehrt der Fall
ist. Ein Beispiel: Nach dem Brexit muss London ungefähr eintausend
Handelsabkommen neu abschließen, während für die Kontinentaleuropäer
alles beim Alten bleibt. Die Rückabwicklung einer EU-Mitgliedschaft
erweist sich als so gigantische Aufgabe, dass es potenzielle
Nachahmer abschrecken dürfte. In Brüssel glauben viele, dass nicht
einmal die Briten die Prozedur bis zum bitteren Ende durchhalten
werden. Einen „Rexit“ sieht sogar Chefunterhändler Michel Barnier als
Option.
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