Mittelbayerische Zeitung: Die Preisspirale

Von Reinhold Willfurth

Neben dem traditionellen Nesterlsuchen hat sich zu den
Osterfeiertagen ein neuer Brauch etabliert: Die Suche nach einer
Tankstelle, wo der Liter Sprit ein oder zwei Cent billiger zu haben
ist als an der Zapfstelle nebenan. Man wird bescheiden, weniger ist
ohnehin nicht drin. Denn pünktlich zu Beginn der Osterferien schnellt
der Benzinpreis in die Höhe. In diesem Jahr hat er neue Dimensionen
erreicht. Soviel wie im März 2012 haben deutsche Tankstellen noch nie
für Benzin und Diesel verlangt. Die Suche nach einer
„Billigtankstelle“ endet immer öfter mit Frust. Seitdem die
Leitstände der Mineralölkonzerne auch am Sonntag besetzt sind, fällt
sogar der Montag als Schlupfloch aus, an dem Benzin bisher ein
bisschen billiger zu haben war. Auf die vergebliche Suche nach
preiswertem Sprit folgt dann zuverlässig das zweite Ritual: Der
Aufschrei des tankenden Bürgers. Und das populistische Echo darauf
aus der Politik. Dabei sind die steigenden Spritpreise, nimmt man die
mysteriöse vorösterliche Preissteigerung einmal aus, eigentlich
leicht aus dem Gesetz von Angebot und Nachfrage herzuleiten. Auch ein
Blick auf das weltpolitische Fieberthermometer kann nützlich sein.
Zum Einen wird es immer schwieriger, versiegende Ölquellen durch
gleichwertige neue zu ersetzen. Wir befinden uns kurz vor oder kurz
nach „Peak Oil“, der Ära mit der weltweit höchsten Ölfördermenge. Und
danach geht es nur noch bergab. Dazu gesellen sich der Ölhunger von
Schwellenländern wie Brasilien, China und Indien. Unsichere
Kantonisten unter den Förderländern wie der Iran tun ein Übriges, um
den Benzinpreis allmählich in Richtung zwei Euro steigen zu lassen.
Im Windschatten dieser „höheren Gewalt“ glauben die „Großen Fünf“,
also Aral, Shell, Esso, Jet und Total, ihre Marktmacht dafür
ausnutzen zu können, um noch ein paar Cent draufzusatteln, gerne auch
vor den Ferien. Angesichts dieser Notlage kann kein Politiker
widerstehen, dem bedrängten Autofahrer beizuspringen – zumindest kein
Politiker, der seine Wahlchancen verbessern muss. FDP-Chef Philipp
Rösler, im Fall Schlecker noch ordnungspolitischer Hardliner, geriert
sich als spendabler Osterhase und will dem Autofahrer eine Erhöhung
der Pendlerpauschale ins Nest legen. Auch Unionspolitiker holen mit
Blick auf die Wahlen in NRW und Schleswig-Holstein das alte
Trostpflaster aus dem Verbandskasten. Auch wenn die Pauschale seit
Jahren die Kosten für die Fahrt zum Arbeitsplatz nicht mehr deckt,
sie anzuheben, wird nichts nützen: Die Spritpreise werden sich der
neuen Lage anzupassen wissen. Andere Politiker zeigen ihre
Hilflosigkeit oder ihren Populismus, indem sie angebliche
Preisbremsen in Österreich und Westaustralien übernehmen wollen. Sie
sollten wissen, dass diese Modelle nicht wirklich funktionieren. Sie
wissen ganz sicher, dass der Staat an höheren Spritpreisen via
Mehrwertsteuer kräftig mitverdient. Gibt es also nichts, was wir tun
können gegen die Ölmultis und deren Lieferanten aus den unsicheren
Gegenden dieser Welt? Eins steht fest: Wir müssen damit leben, dass
Benzin und Diesel nicht billiger werden. Ausgeliefert sind wir dieser
Preisspirale aber nur bedingt. Die Politik muss alternative Antriebe
fördern, um sie im Bewusstsein zu verankern, so wie das bei der
Photovoltaik auch funktioniert hat. Schon jetzt können Pendler ihr
Auto auf billigen Gasantrieb umrüsten, die wenigsten tun es. Und wenn
die Menschen einmal nicht mehr glauben, im österlichen Stau zu stehen
sei ein Menschenrecht, auf dass man einen Anspruch habe, wäre auch
schon sehr viel gewonnen.

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