Mittelbayerische Zeitung: Die richtige Wahl

Von Christian Kucznierz

Deutschland hat seinen Wunschpräsidenten bekommen – und die USA
den richtigen Mann, der das Land aus der Krise führen kann. Aber es
gibt auch eine andere Gruppe, die dem Sieg des Präsidenten etwas
Positives abgewinnen sollte: die Republikaner. Mitt Romney war ihr
Kandidat, aber er war nicht ihr Herzenswunsch. Es war eher so, dass
er alleine aus einer Gruppe nur wenig geeigneter Kandidaten als
einzig repräsentierbarer übrig geblieben war. Den starken
Ultrarechten hat das nie gefallen. Romney war zu weich in ihren
Augen. Seine Politik in seiner Zeit als Gouverneur von Massachusetts
war ihnen zu liberal. Und er ist Mormone, was gerade den
evangelikalen Christen, von denen viele der ultrakonservativen
Tea-Party-Bewegung innerhalb der Republikaner angehören, ein Dorn im
Auge war. Mormonen sind für sie eine Sekte. Ein wirklicher Star der
Herzen der Wähler wurde Romney auch nie, ganz gleich, wie viel
Tausende von Kilometern er im Wahlkampf zurückgelegt hat oder wie
viele Reden er auch hielt. Es war in den TV-Debatten gegen Obama, als
er aufzublühen schien, zumindest beim ersten Duell. Doch auch danach
kann keiner behaupten, er hätte sich nicht zumindest wacker
geschlagen. Dennoch wäre Romney der falsche Mann zur falschen Zeit
gewesen. Erstens, weil ihm die Erfahrung fehlt. Amerika steht nach
wie vor an einem Wendepunkt. Entweder gelingt es, das Land zurück auf
einen Wachstumskurs zu bringen. Oder es stürzt zurück in die Krise,
die dieses Mal vielleicht noch tiefer und gravierender ausfallen
könnte, und das nicht nur, weil ganze Landstriche nach Hurrikan Sandy
ins Chaos gestürzt wurden. Zweitens sind Romneys Rezepte dieselben,
die das Land einst in die Krise geführt hatten: Steuersenkungen,
Ausgabenkürzungen, ein starkes, großes und aktives Militär. Sein
Background machte ihn vielen immer noch in ihrer Existenz bedrohten
Wählern suspekt. Schließlich war er Manager einer Risikokapitalfirma
und machte als solcher ein Vermögen. Als er am Ende seiner Kampagne
dann auch noch plötzlich Standpunkte wechselte, offenbarte er nur,
was ihm der politische Gegner immer vorgehalten hatte: dass er keine
klare Position beziehen kann. Dabei ist Romney tatsächlich
gemäßigter, als er sich im Wahlkampf gab. Doch um seine Partei nicht
zu verschrecken, musste er lange den Hardliner geben. Als er
erkannte, dass er damit alleine vielleicht nicht gewinnen kann,
schwenkte er um. Allerdings zu spät. Seine gestrige Rede, in der er
seine Niederlage eingestand, zeigte einen versöhnlichen Politiker,
der vielleicht mehr Stimmen auf sich hätte vereinen können, wenn er
diese Seite an sich eher offenbart hätte. In einer gewissen Weise ist
Romney Opfer einer Partei, die nicht weiß, wohin sie will. Er wurde
zu einer Art Jekyll und Hyde, weil seine Partei zwei Naturen besitzt,
die um einen Körper, eine eindeutige Richtung ringen. Das ist ihr
aber nicht gelungen. Es ist dieser Umstand, weswegen sich die
Republikaner den Sieg Obamas zu Herzen nehmen sollten. Er ist ein
Zeichen dafür, dass sich die Partei neu erfinden muss, will sie eine
wählbare Alternative sein – eine Kraft, die ihr Land mitgestalten und
nicht im Würgegriff halten will, wenn es um schmerzhafte, aber
letztlich unausweichliche Reformen geht. Für den Moment mag der Frust
überwiegen. Aber nun geht es um die Aufarbeitung des Ergebnisses.
Übrigens auch für Barack Obama: Auch er muss reflektieren, warum es
am Ende so knapp wurde für ihm. Seine Versprechen muss er nun mehr
denn je einhalten. Er hat den Vertrauensvorschuss bekommen, der es
ihm ermöglichen sollte, in vier weiteren Jahren seine Ziele
umzusetzen. Schafft er das nicht, wird auch seine Partei eine
Existenzkrise durchlaufen. Obama hat in seiner Siegesrede betont,
dass er das verstanden habe. Er hat wiederholt, dass er Gräben
überwinden wolle. Er wird daran gemessen werden.

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