Mittelbayerische Zeitung: Die strahlende Realität

Von Reinhard Zweigler

Warum kann man Atommüll nicht auf dem Mars lagern? Mars bringt
verbrauchte Energie sofort zurück! Der Kalauer bleibt einem fast im
Halse stecken, wenn man an die ungeheuren Mengen von radioaktiven
Müll denkt, die nun in ihrem ganzen Ausmaß immer deutlicher werden.
Der Entsorgungsplan der Bundesregierung stellt sich nach Jahrzehnten
der Schönfärberei erstmals der strahlenden Realität. Eine sichere
Lagerung des Atommülls ist eine Herkulesaufgabe, die wir freilich
kommenden Generationen gegenüber nicht schuldig bleiben dürfen. Mit
der Kraft des Atoms zu Wohlstand, hieß es vor fünf Jahrzehnten, als
in Deutschland und vielen anderen Industrieländern, von großer
Euphorie begleitet, die Energiegewinnung aus Uran begann. Man sprach
fortschrittsgläubig vom Atomzeitalter. Das Energieproblem schien für
immer gelöst. Vor allem der Freistaat Bayern hat einen Großteil
seines wirtschaftlichen Aufschwungs seit damals der Kernkraft zu
verdanken. Was wir nun erleben, ist sozusagen die Kehrseite der
Atomkraftmedaille. Wie vertrackt, langwierig und vor allem teuer sich
das Problem der Entsorgung der strahlenden Fracht erweisen würde,
konnte man zu Beginn der Entwicklung noch nicht absehen. Doch nun
liegt das brisante „Zeug“, das keiner mehr haben will, in diversen
Zwischenlagern von Gorleben und den Atomkraftwerken, in der maroden
feuchten Asse in Niedersachsen – und rottet teilweise in rostigen
Fässern vor sich hin. Und weil der Uranmüll aus der
Anreicherungsanlage von Gronau nun ehrlicherweise vom „Wertstoff“ zum
Atommüll umetikettiert wurde, ist der Müllberg noch einmal erheblich
angewachsen. Das einzige Lager für schwach- bis mittelradioaktive
Abfälle, der niedersächsische Schacht Konrad, dürfte bis zu seiner
Fertigstellung noch ein Jahrzehnt brauchen. Bereits jetzt steht fest,
dass dieses Lager nicht ausreichen wird. Wahrscheinlich muss der
Schacht Konrad kräftig ausgebaut werden. Oder es müsste ein weiteres
Lager in ähnlicher Größe geschaffen werden. Noch völlig ungelöst ist
dagegen die Frage eines sicheren Endlagers für hochradioaktiven Müll.
Es gilt der Spruch, wer A, wie Atomausstieg sagt, muss auch B sagen,
das heißt in diesem Falle eine sichere Lagerung. Nach jahrelangem
Streit hat sich die Politik zumindest auf ein Verfahren für die
Endlagersuche verständigen können. Eine beim Bundestag angesiedelte
Kommission soll bis 2016 die Kriterien für die Auswahl von Standorten
vorlegen. Bis 2031 will man dann ein Endlager gefunden haben. Doch
bis dahin, so ist zu erwarten, wird noch ein heftiger politischer und
fachlicher Streit toben. Es gilt das abgewandelte
Sankt-Florians-Prinzip: Verschone mein Bundesland, lagere den
Atommüll woanders. Diese verbreitete Abwehrhaltung in Deutschland ist
interessant. Denn sie unterstellt, dass ein solches Endlager mit
erheblichen Gefahren für die im Umkreis lebenden Menschen verbunden
sein müsste. In Schweden dagegen bewerben sich Kommunen sogar um
Endlager, weil die sicherere Arbeitsplätze versprechen. Über
Alternativen zur Lagerung des in Deutschlands produzierten
hochradioaktiven Atommülls wird nicht wirklich und nicht offen
gesprochen. Aus gutem Grund. Denn die brisante Fracht etwa in
Entwicklungsländer, nach Sibirien oder sonstwohin abzuschieben, kann
und darf kein Weg sein. Unseren Atommüll müssen wir schon selbst
entsorgen.

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