Mittelbayerische Zeitung: Ein Signal für alle Frauen / Der Friedensnobelpreis für Liberias Präsidentin und zwei Bürgerrechtlerinnen könnte zeitgemäßer kaum sein.

Es gehört zu den goldenen Regeln des
Friedensnobelpreises, dass die Entscheidung des Komitees
überraschender Natur ist. Dennoch waren sich diesmal die meisten
Analysten einig, dass die tunesischen Vorreiter des „Arabischen
Frühlings“ unter den Preisträgern sein würden. Wann war schließlich
der Begriff „Friedensverfechter“, mit dem der Preisstifter Alfred
Nobel in seinem Testament das Wesen des Preisträgers bestimmte,
passender? Der Preis ging aber an das erste und einzige weibliche
Staatsoberhaupt Afrikas, Liberias Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf.
Mit ihr wurden die international eher unbekannten Frauenrechtlerinnen
Leymah Gbowee (Liberia) und Tawakkul Karman aus dem Jemen
ausgezeichnet. Selbst für das Komitee in Oslo ungewöhnlich, mit
Johnson-Sirleaf eine Politikerin auszuwählen, die sich mitten im
Wahlkampf befindet. Am Montag, also nur drei Tage nach der
prestigeträchtigen Entscheidung, stellt sie sich zur Wiederwahl –
ihre Gegner sehen den Wahlkampf beeinflusst. Und doch ist die
Entscheidung eine gute. Sie könnte zeitgemäßer kaum sein. Mit ihr
wird der Einsatz von Frauen für Demokratie und Menschenrechte in
aller Welt gewürdigt – das ist in diesem nachrichtenstarken Jahr
besonders wichtig. So gebannt blickt die Welt auf die spektakulären
Revolutionen im Norden Afrikas und in Arabien, dass stilles Leid ganz
zu verstummen scheint. Noch immer sind in vielen Ländern, die sich
für ihre demokratischen Werte feiern, Frauen weit von
Gleichberechtigung entfernt. Der Preis an die drei starken Frauen aus
Westafrika und dem Jemen lenkt den Blick aber auch auf die Situation
in Konfliktgegenden wie dem Kongo oder der Elfenbeinküste. Frauen
gehören zu den größten Opfern von Kriegen, was auch durch die
Nominierung des kongolesischen Frauenarztes Denis Mukwege für den
Preis betont wurde. Über 20 000 Frauen haben er und sein Team
operiert, um Verletzungen durch Vergewaltigungen zu heilen. Besonders
im Osten des Landes wird dieses Verbrechen als systematische
Kriegswaffe rivalisierender ethnischer Gruppen angewendet, um
Familien und Gemeinschaften zu entzweien. Diesen Frauen
Protagonistinnen der Hoffnung vorzustellen, ist ein großer Verdienst
des Komitees. In Liberia sah sich Johnson-Sirleaf nicht nur einem
veralteten Geschlechterbild ausgesetzt, sie hatte nach Ende des
Bürgerkrieges im Jahr 2003 ein am Boden liegendes Land aufzurichten.
Gemessen an den Umständen – einer zerstörten Infrastruktur und
gespaltenen Bevölkerung – hat sie ihre Aufgabe bislang mit Erfolg
geleistet. Wie Gbowee und Karman hat die Politikerin bewiesen, dass
selbst die starrsten Strukturen aufgebrochen werden können. Sie sind
zudem ein Beispiel, dass Frauen sehr erfolgreich an der
Völkeraussöhnung mitwirken. Ihr Beispiel sollte bei künftigen
Verhandlungen nach Kriegen bedacht werden, schließlich sitzen dabei
noch immer in klarer Mehrheit Männer an den Tischen. Erst seit dem
Jahr 2000 ist überhaupt völkerrechtlich durch die Vereinten Nationen
geregelt, dass Frauen an Friedensprozessen angemessen zu beteiligen
sind – an der Umsetzung mangelt es bis heute. Auch in den Ländern des
„Arabischen Frühlings“ brauchen Frauen in den kommenden Jahren eine
starke Stimme. Es gilt, neue und stabile Gesellschaftsordnungen
aufzubauen. Das bedarf der Kraft der gesamten Bevölkerung und damit
eines neuen Rollenverständnisses. Nicht nur durch die Männer, sondern
auch die Frauen selbst. Die Verfassungen der meisten Länder sehen
Gleichberechtigung vor – es gilt nun, dieses Recht auch in der Praxis
anzustreben und zu erkämpfen. Möglich ist das. Friedlich.

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