Von Maria Gruber
Als am 25. Januar 2011 in Ägypten die Revolution begann, waren die
Forderungen der Menschen, die zu tausenden auf die Straße gingen,
klar: Sie wollten „Brot, Freiheit und Würde“. Wenige Wochen später
nahm Husni Mubarak seinen Hut und beendete seine 30 Jahre währende
Regentschaft. Jubeln können im größten Land der arabischen Welt ein
Jahr nach Beginn des arabischen Frühlings dort jedoch noch längst
nicht alle. Der Machthaber ist weg, zum ersten Mal in der Geschichte
des Landes hat sich am Montag ein frei gewähltes Parlament
konstituiert, eine Vertretung des Volkes, die nun eine Verfassung
erarbeiten wird. Und dennoch: Viele der Probleme, die die Revolution
ausgelöst haben, bestehen noch. Der Militärrat, der am 11. Februar
2011 die Macht übernommen hatte, hob gestern zwar den 30 Jahre
währenden Ausnahmezustand auf. Dieser wurde vom Mubarak-Regime
missbraucht, um politische Gegner mundtot zu machen. Bei der
Verfolgung von Gewaltverbrechen sollen die Notstandsgesetze, die
unter anderem Militärprozesse gegen Zivilisten ermöglichen, aber auch
weiterhin gelten. Der Militärrat ist zudem nicht bereit, die Macht an
eine zivile Regierung zu übergeben und begeht massive
Menschenrechtsverletzungen. Die Massenproteste richten sich nun gegen
den Militärrat – von einer „zweiten Revolution“ ist die Rede. Die
Sicherheitslage wird immer prekärer. Doch nicht nur das: Auch die
wirtschaftliche Lage verschlechtert sich zusehends. In der Wirtschaft
aber liegt ein Schlüssel zum Erfolg der Revolution. Denn es waren die
mehr als schwierigen sozialen Verhältnisse, die die Menschen vor
einem Jahr auf die Straße getrieben haben. Vor allem der Jugend und
jungen Erwachsenen – die mehr als die Hälfte der ägyptischen
Bevölkerung ausmachen – fehlte die Perspektive, sie litten unter
Armut und Massenarbeitslosigkeit. Seit Beginn des Volksaufstands ist
die ägyptische Wirtschaft allerdings regelrecht zusammengebrochen:
Die Investitionen aus dem Ausland bleiben seither aus, die Zahl der
Touristen ist gesunken, manche Unternehmen haben bis heute ihre
Produktion nicht wieder aufgenommen, was den Güterexport hemmt. Zudem
steigen die Lebenshaltungskosten. Politische und wirtschaftliche
Entwicklung bedingen sich gegenseitig und deshalb muss Ägypten auch
in wirtschaftlicher Hinsicht den Wandel managen, Arbeitsplätze
schaffen und die Armut bekämpfen. Dazu braucht es eine effektive
Wettbewerbsordnung, klare Eigentumsverhältnisse für die
Privatwirtschaft, ein modernes Bildungs-, Steuer- sowie
Gesundheitssystem. Bürokratische Hindernisse für ausländische
Investoren müssen beseitigt, Korruption bekämpft, das Bankensystem
modernisiert werden. Das muss das Land aber nicht alleine meistern.
Die Wirtschaftsmacht Europa kann nicht nur bei der
zivilgesellschaftlichen, sondern auch bei der wirtschaftlichen
Entwicklung helfen – und die EU-Staaten wissen, dass das keine
Einbahnstraße ist. Voraussetzung für eine stabile Wirtschaft ist das
Bekenntnis der politischen Elite zu einer marktwirtschaftlichen
Ordnung. Und zumindest die moderaten Islamisten im ägyptischen
Parlament befürworten eine solche, legen jedoch den Fokus auf kleine
und mittlere Unternehmen. Die radikalen Islamisten werden langfristig
dem Druck der Straße nachgeben und pragmatische Entscheidungen
treffen müssen, die den Gruppen zugutekommen, die jetzt noch am Rand
der Gesellschaft stehen. Es ist ein Erfolg der Revolution, dass in
Ägypten jetzt ein parlamentarisches System Einzug gehalten hat. Das
heißt, dass Abgeordnete wiedergewählt werden wollen – und das gilt
auch für Islamisten.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de
Weitere Informationen unter:
http://