Mittelbayerische Zeitung: Ein Verbot allein hilft nicht Bremen und Niedersachsen wollen lange Messer in derÖffentlichkeit verbieten. Doch das könnte auch die Falschen treffen. Von Katia Meyer-Tien

Es klingt vernünftig, was die Innenminister von
Bremen und Niedersachsen dem Bundesrat vorgeschlagen haben: ein
Verbot von Messern, deren Klinge länger als sechs Zentimeter ist, und
geringere Hürden für die Einrichtung von Waffenverbotszonen im
öffentlichen Raum. Denn egal, ob die Zahl der Straftaten, die mit
Messern verübt werden nun tatsächlich steigt oder nicht, jede
Einzelne ist zu viel – vor allem, wenn sie vermeidbar gewesen wäre.
Der Staat hat die Aufgabe, das Recht auf Leben und körperliche
Unversehrtheit jedes Einzelnen zu schützen. Es macht einen großen
Unterschied – letztlich vielleicht sogar den zwischen Leben und Tod –
ob die Klinge, mit der ein Mensch angegriffen wird, zwölf Zentimeter
lang ist wie bisher erlaubt oder nur noch sechs Zentimeter. Und ja,
es stimmt, dass wer ein Verbrechen plant, sich wahrscheinlich nicht
darum schert, ob das Messer, was er dafür verwenden will, verboten
ist oder nicht. Und es stimmt auch, dass fast jeder Alltagsgegenstand
zur Waffe werden kann, auch ein Schraubendreher oder ein Bügeleisen,
und trotzdem niemand auf die Idee käme, Schraubendreher oder
Bügeleisen zu verbieten. Aber: Ist das Messer aus Gewohnheit immer in
der Hosentasche, dann ist es auch im Streitfall schnell gezückt. Und
wo sonst vielleicht nur Fäuste fliegen würden, fließt dann
möglicherweise Blut. Besonders, wenn Alkohol im Spiel ist. Es geht
hier also weniger um die Verhinderung geplanter Straftaten als
vielmehr um die Verhinderung schlimmer Folgen von Affekttaten.
Gleichzeitig muss der Gesetzgeber aber auch abwägen, ob die
Maßnahmen, die er zum Schutz des Einzelnen ergreift, verhältnismäßig
sind. Denn jedes Verbot ist seinerseits wieder ein Eingriff in die
Freiheits- und Selbstbestimmungsrechte. Hier melden Trachtenvereine,
Jäger und Fischer Bedenken an, und nicht nur die: Auch das
Kuchenmesser im Picknickkorb am See oder das Brotzeitmesser im
Biergarten würden nach den neuen Regeln zum Problem (und sind es
teilweise auch schon nach den bereits geltenden Gesetzen). Hier
könnte die geplante Gesetzesreform tatsächlich zu weit über das Ziel
hinausschießen – und entweder eine große Zahl von Bürgern unnötig
kriminalisieren oder durch eine Vielzahl von Ausnahmeregelungen zum
Bürokratiegiganten werden. Es mag unbequem sein, aber anders als bei
Schusswaffen, die nur einen einzigen Zweck haben, kann ein Verbot
oder eine Reglementierung bei Messern nur Teil einer Strategie zur
Verhinderung von Straftaten sein. Denn ob sie zum Melonenschneiden
oder zum Morden genutzt werden, liegt im Ermessen des Anwenders.
Vielleicht mehr noch als anderswo muss hier der Kampf gegen die
Straftaten beim Täter ansetzen, nicht bei seinem Werkzeug. Das gilt
insbesondere, wenn man die wahrscheinlich problematischste Gruppe der
Messerträger betrachtet: Jugendliche und junge Erwachsene, die Messer
nicht zum Schnitzen oder für die Brotzeit, sondern tatsächlich als
potentielle Waffe bei sich haben. Sicher kann es hier helfen, rund um
Schulen, Kindergärten und an viel besuchten Orten absolut waffenfreie
Zonen einzurichten, in denen überhaupt keine Messer mitgeführt werden
dürfen. Wirklich lösen aber lässt sich das Problem erst dann, wenn
man herausfindet, warum die Jugendlichen die Messer in die
Schultasche packen: Sind die Messer Statussymbole? Fühlen sich die
Jugendlichen bedroht? Haben sie selber Gewalt erlebt, gegen die sie
glauben, sich verteidigen zu müssen? Diese Fragen zu beantworten und
Lösungsansätze zu finden, ist anstrengend, kostet Zeit und ist
weniger medienwirksam als die Forderung nach schärferen
Waffengesetzen. Aber es ist tatsächlich der bessere Weg, um das Leben
und die körperliche Unversehrtheit jedes Einzelnen zu schützen.

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