Wer vor Monaten gedacht hat, Europa habe die
Schuldenkrise erfolgreich überstanden, wird in diesen Tagen eines
Besseren belehrt. Das klamme Griechenland bestimmt schon wieder die
politische Agenda – nur dass dieses Mal die Lage noch viel ernster
ist. Geradezu erschreckend ist, dass die Politik aus der ersten
Rettungsaktion vor einem Jahr nichts gelernt zu haben scheint. Noch
immer stolpert Europa von einem Brandherd zum nächsten während die
Finanzmärkte die Politik munter vor sich hertreiben. Das
Krisenmanagement der EU ist so miserabel wie ihre Kommunikation. Ganz
Europa ist dieser Tage frustriert. In Athen entlädt sich die Wut über
die von EU und IWF oktroyierten Sparpakete. In Brüssel stößt die
griechische Regierung mit ihren Sparbeteuerungen bei den
Euro-Kollegen auf taube Ohren. Die Auszahlung der nächsten
Kredittranche in Höhe von zwölf Milliarden Euro lässt weiter auf sich
warten. Und in Luxemburg ärgern sich die Euro-Finanzminister über die
Reformmüdigkeit der Griechen. Die Folgen dieser Kakophonie sind
bekannt: Anstatt wie ursprünglich geplant grünes Licht für die
rettende Zwölfmilliarden-Kredittranche zu geben, lassen die
Euroländer Athen weiter zappeln. Nun soll morgen und übermorgen schon
wieder eine Prüfmission aus EU-Kommission, Internationalem
Währungsfonds und Europäischer Zentralbank in Griechenland nach dem
Rechten sehen. Dass hierbei fundamental neue Erkenntnisse zusätzlich
zur letzten Prüfmission vor zwei Wochen gewonnen werden, darf
bezweifelt werden. Währenddessen läuft den Griechen die Zeit davon.
Wolfgang Schäuble und Co. scheinen dieselbe Strategie des Taktierens
zu verfolgen wie noch beim ersten Rettungspaket für die Hellenen.
Damals zögerte die EU lange, sich vor das klamme Athen zu stellen.
Die Rechnung bekam man prompt – die Rettung des Landes hatte sich
aufgrund der Unsicherheiten auf den Märkten massiv verteuert. Jetzt
droht dasselbe Spiel. Denn obwohl sich die Eurozone mit dem ersten
Hilfspaket für Griechenland wertvolle Zeit erkauft hat, weiß sie
damit nichts anzufangen. Noch immer treiben die Finanzmärkte die
Politik vor sich her. Noch immer gibt es in dieser Schuldenkrise kein
verlässliches Management. Und noch immer scheuen sich die
Euro-Länder, zuerst eine unmissverständliche Garantie für Athen zu
geben und dann die Bedingungen zu verhandeln. Die Antwort der Märkte
auf diesen Schlingerkurs erfolgte gestern prompt: Der Euro rauschte
wieder einmal in den Keller. Natürlich ist es verständlich, dass die
Kreditgeber Vorsicht bei der Auszahlung der nächsten Tranche walten
lassen. Schließlich steht Griechenland trotz eines
Milliarden-Hilfspakets noch immer da, wo es vor einem Jahr stand:
kurz vor der Pleite. Doch das ändert nichts an der Tatsache, dass dem
Land geholfen werden muss. Wird Athen fallengelassen, wären die
Folgen für die übrigen angeschlagenen Euroländer gravierend. Dann
rücken Spanien, Italien und vielleicht sogar Belgien ins Visier der
Märkte, Experten halten einen Domino-Pleiteeffekt für wahrscheinlich.
Dass dies die deutschen Steuerzahler um einiges teurer kommen würde
als die Griechenhilfe, darf angenommen werden. Noch ist es
glücklicherweise nicht soweit. Trotzdem muss Griechenland nun
schleunigst aus der Schusslinie gebracht werden. Deshalb bringt es
nichts, die unpopulären Rettungsmaßnahmen immer weiter
hinauszuzögern. Die EU muss zudem dafür sorgen, dass das Land zur
Ruhe kommt. Dafür braucht es einen breiten gesellschaftlichen
Konsens. Anstatt Athen mit Schuldzuweisungen zu überhäufen, sollte
Brüssel als Vermittler auftreten. Das Land braucht neben den
Milliarden auch moralische Unterstützung.
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