Von Hanna Vauchelle
Ob es am Jahresausklang oder den arbeitsintensiven Vorbereitungen
lag, ist ungewiss. Das Ergebnis ist jedoch dasselbe: Bei den
wichtigen Themen kommt die EU kaum voran. Das betrifft den Umbau der
Währungszone genauso wie die gemeinsame Sicherheits- und
Verteidigungspolitik. Dabei wäre dieser Gipfel nach der Lähmung durch
den deutschen Wahlkampf eine der wichtigsten europäischen
Veranstaltungen des Jahres gewesen. Doch in den Mitgliedsstaaten hat
sich eine Reformmüdigkeit breitgemacht. Deutschland gibt den
ungeliebten Antreiber, während Europa auf der Stelle tritt. Seit
Beginn der Eurokrise haben sich die Staats- und Regierungschefs rund
40 Mal getroffen. Ständiger Begleiter dabei: die Sorge um die Lage an
den Finanzmärkten. Der Druck der Börsen machte es möglich und so
wurden dann eiligst Hilfspakete geschnürt, Rettungsschirme erdacht
und Reformvorhaben beschlossen. Doch vor allem von Letzterem haben
die Mitgliedsstaaten erst einmal genug. Jetzt, wo Irland und Spanien
aus den Rettungsprogrammen entlassen werden konnten und seit einiger
Zeit Ruhe an den Märkten herrscht, ist der Reformeifer in den
Hauptstädten erschlafft. Das ist umso bedauerlicher, als dass die EU
heute einmal nicht als Getriebene der Märkte agieren, sondern selbst
die Regeln vorgeben könnte. Stattdessen gratuliert man sich lieber
zum Geschafften und schiebt notwendige Reformen auf die lange Bank.
Die Frage, wie eine Wiederholung der Finanz- und Schuldenkrise
verhindert werden kann, konnte dieses Gipfeltreffen nicht
beantworten. Für Angela Merkel ist das besonders bitter. Sie steht
dank ihrer dritten Amtszeit im Zenit der Macht. Doch in Brüssel kann
sie davon nicht profitieren. Im Gegenteil: Misstrauisch beäugen die
EU-Kollegen die Kanzlerin, deren Popularitätswerte sich zuhause im
Dauer-Höhenflug befinden. Gleichzeitig wächst ihr Widerstand gegen
Deutschland, das sie vor sich hertreibt. So auch bei der Bankenunion,
die ganz deutlich die Handschrift des deutschen Finanzministers
trägt. Dieser hatte durchgedrückt, dass die Haftungsrisiken Berlins
für Banken anderer EU-Staaten möglichst gering bleiben. Ein echter,
europäischer Abwicklungsfonds wurde verhindert. Insofern ist es wohl
kein Wunder, dass die 27 anderen Mitgliedsstaaten erst einmal mit den
Augen rollen, wenn wieder eine neue Idee aus Berlin kommt.
Sicherlich, die Details zu den Reform-Verpflichtungen waren noch zu
unausgegoren, als dass man sich gleich auf einen Beschluss hätte
einigen können. Trotzdem ist es wenig hilfreich, das Projekt vor sich
herzuschieben. Denn dass es derartige Verträge, die die Länder zu
Strukturreformen verpflichten, geben muss, steht außer Frage.
Schließlich zeigt die Realität, dass Empfehlungen, wie sie die
EU-Kommission momentan noch ausspricht, hier nicht ausreichen. Die
Hauptstädte pfeifen auf derartige Ermahnungen aus Brüssel. Nun ist
aufgeschoben nicht gleich aufgehoben – trotzdem sind die Argumente
dafür unverständlich. Schließlich ist immer in irgendeinem EU-Land
Wahl. Und dass sich die Hauptstädte davor fürchten bei den
Europawahlen im Mai wegen der Reformvorhaben abgestraft zu werden,
zeugt nur von Kleinmut. Damit geht ein Jahr zu Ende, das der EU wenig
Kontinuität gebracht hat. Erst blockierte die Bundestagswahl, dann
verhinderte die wachsende innenpolitische Not Frankreichs ein
Fortkommen der Gemeinschaft. Daran wird sich auch im kommenden Jahr
wenig ändern. Mit den Europawahlen sowie dem personellen Austausch
der gesamten EU-Führungsriege ist Stillstand programmiert. Damit wird
sich auch die Kanzlerin arrangieren müssen.
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