Heute nacht ist er also ausgeschieden: Von
manchem Nachkriegspolitiker noch als „Vaterlandsverräter“ geschmäht
und von den Wehrdienst-Kollegen liebevoll bis bösartig als
„Urinkellner“ bezeichnet, vor allem in seinen letzten Jahren aber als
unentbehrlicher Helfer in Krankenhäusern, Altenheimen und
BRK-Fahrdiensten zu verdientem Ruhm gekommen: Der
Zivildienstleistende musste gehen, obwohl er eigentlich noch
gebraucht würde, weil auch sein Pendant in Uniform gehen musste, da
auch dessen Dienste seit heute nicht mehr gefragt sind. Stattdessen
soll es jetzt zumindest auf zivilem Gebiet der „Bufdi“ richten, eine
grausige Abkürzung für einen Angehörigen des neuen
Bundesfreiwilligendienstes, und wer allein den sprachlichen
Niedergang vom flotten „Zivi“ zum dumpfen „Bufdi“ als Menetekel
nimmt, muss sich ernsthaft Sorgen darum machen, ob sich dieser zivile
Ersatzdienst überhaupt irgendwann durchsetzen wird. Zum Start
serviert uns dessen Erfinderin, die Bundesfamilienministerin, eine
Milchmädchenrechnung. Stolz verweist Christina Schröder auf knapp 20
000 Zivis Ende Juni, die bereits jetzt durch über 17 000 „Bufdis“
ersetzt würden. Dabei ist die Zahl der Zivis der kümmerliche Rest
einer Institution in Auflösung. Eine seriöse Vergleichszahl wäre die
aus dem Jahr 2009 gewesen. Damals arbeiteten rund 90 0000 junge Leute
im Zivildienst. Stellt man dieser Zahl die 3000 neu hinzugekommenen
„Bufdis“ gegenüber – der Rest sind verlängerte Zivi-Verträge – wird
schnell deutlich, dass der Bundesfreiwilligendienst der zum Scheitern
verurteilte Versuch war, mit dem raschen Abschied vom Wehrdienst
Schritt zu halten. Andererseits: Was blieb Schröder übrig? Erst Mitte
Mai, nachdem das Gesetz verabschiedet war, konnte sie die
Werbemaschine für den „Bufdi“ anwerfen. Ein Verlierer-Datum: Viele
Abiturienten und andere Schulabgänger haben da ihre Weichen schon
gestellt. Sozialverbände beklagten zudem Unsicherheiten bei der
Ausgestaltung, viele Interessenten erhielten nur einen
unverbindlichen Vorvertrag für den noch dazu kümmerlich bezahlten
Freiwilligenjob. Kein Wunder, dass sich in Bayern bislang nur eine
Handvoll junger Leute für das „Bufdi“-Dasein entschlossen hat. Ebenso
bescheiden ist die Zahl der weiblichen Interessenten. Dass bis zum
Jahresende 35 000 „Bufdis“ arbeiten sollen, kann nicht einmal die
Ministerin für möglich halten. Dieser Fehlstart bedeutet aber nicht,
dass die Idee eines freiwilligen Dienstes an der Allgemeinheit zum
schmalen Salär eine Luftnummer bleiben muss. Viele junge Leute sehnen
sich danach, nach der kopfbetonten Schulzeit einmal etwas Praktisches
auszuprobieren. Andere wollen sich soziale Kompetenz, eine ebenfalls
in der Schule sträflich vernachlässigte Tugend, erwerben. Und viele
wollen einfach etwas für andere Menschen tun. Insofern ist der Slogan
des Familienministeriums („Nichts erfüllt mehr als gebraucht zu
werden“) seine bisher beste Idee in dieser Sache. Er spricht den
Idealismus an, den viele Schulabgänger als Treibstoff für „das Leben
draußen“ brauchen. Solche Menschen braucht auch das Land, das haben
die Zivis bewiesen. Und sage keiner, ohne Verpflichtung gehe nichts:
Zehntausende von jungen Leuten im Freiwilligen Sozialen und
Ökologischen Jahr machen vor, dass sich gesellschaftliches Engagement
und persönliche Entwicklung prima ergänzen können. Wer daher auf die
armen „Bufdis“ mitleidig herabblickt, hat überhaupt nichts
verstanden. Und keine Sorge: Ein schönerer Spitzname wird sich auch
noch finden.
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