Mittelbayerische Zeitung: Gute Besserung Leitartikel der Mittelbayerischen Zeitung zur Euro-Krise

Es ist ruhig geworden um den Euro, sehr ruhig
sogar. Im vergangen Jahr noch als Problemkind, Wackel-Währung oder
schlicht als Irrtum gebrandmarkt, scheinen seine Kritiker verstummt
zu sein. Alles wieder gut? Mitnichten. Der Schein trügt. Im selben
Tempo, mit dem die Schuldenuhren ticken, schwelt die Euro-Krise
weiter. Nur sind die Kameras und Mikrophone vom Brandherd abgezogen.
Statt mit Transparenz und Empathie aus der prekären Lage zu steuern,
gaben sich Regierungschefs wie Notenbanker bisher lediglich große
Mühe, die Schuldenberge hinter derart komplexen Sprach- und
Maßnahmen-Konstrukten zu verstecken, dass Spötter hier schon die
nächste Blasenbildung sahen. Zumindest ist Konsens, dass Sparen das
Gebot der Stunde ist. Damit hat es sich dann aber mit der
Gemeinsamkeit. Die Lage in den Ländern klafft auseinander: Während in
Deutschland der Aufschwung kein Ende zu nehmen scheint, sparen sich
Portugal und Spanien in die Rezession. Irlands Bankensystem marode zu
nennen, ist immer noch eine Beschönigung. Und in Italien hat
Ministerpräsident Berlusconi zu allem Lust, außer den Schuldenberg
seines Landes abzubauen. Kein Wunder also, dass unter
Finanzmarktakteuren und Beobachtern die Besorgnis wächst. Deutlich zu
hören ist mittlerweile der Ruf der EU-Kommission nach Ausweitung des
Rettungsschirms. Wahrscheinlicher Hintergrund: Die EU-Kommission
fürchtet, dass über kurz oder lang weitere Länder Notkredite
benötigen. Im Fall Griechenland macht bereits das Wort Umschuldung
die Runde. Das heißt nichts anderes, als dass das Land zumindest
einen Teil seiner Schulden nicht begleichen kann. In erster Linie
davon betroffen wären Banken, Versicherungen oder Pensionskassen. Die
meisten dieser Konzerne könnten diesen „Haircut“ wohl stemmen.
Allerdings würden sie sich in Windeseile von den Anleihen
verabschieden – und nicht nur von den griechischen. Das würden alle
Nehmer-Länder mit höheren Zinsen bezahlen. Dabei strapazieren
Steuererhöhungen, Sparpakete und Ausgabenkürzungen schon heute die
Geduld deren Bürger. Diktate nach dem Motto „Wer zahlt, schafft an,“
sind also nicht angebracht. Ziel sollte es sein, den klammen Ländern
stärker zu helfen, unter Aufsicht – aber in Eigenregie – ihre
Finanzen in Ordnung zu bringen. Ein europäischer Währungsfonds in
Nachfolge des Rettungsschirms könnte dafür das geeignete Mittel sein.
Er gäbe diesen Ländern das, was die Finanzmärkte nicht haben: Zeit,
um die Haushalte zu konsolidieren, ohne dabei das eigene Wachstum
vollends abzuwürgen. Aber auch eine derart sanfte Lösung wäre für die
Bürger der Geber-Länder Deutschland, Frankreich, Österreich oder den
Beneluxländern nicht zum Nulltarif zu haben. Die Basis für einen
solchen Währungsfonds wird von den Euro-Profiteuren kommen müssen –
ob durch höhere Garantiesummen, Nachschusspflichten oder schlicht in
bar. Die Kunst ist es nun, die Perspektive für eine derartige
Solidargemeinschaft den Gebern wie den Empfängern behutsam
näherzubringen, ohne dabei Zeit zu verlieren. Dem Euro sitzen weiter
die Investoren im Nacken, deren Geduld mit dem latenten
Schuldenanhäufen täglich zu Ende sein kann. Verlieren sie den Glauben
an eine schnelle Genesung des Euro, wird es umgehend wieder brenzlig.
Eine gute Besserung ist dann sicher nicht wahrscheinlicher.

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