Gerhard Ludwig Müller sticht unter den neuen
Kardinälen hervor – nicht nur weil der 1,90 Meter große Kirchenmann
seine Kollegen buchstäblich überragt. Böse Zungen verpassten dem groß
gewachsenen Präfekten der Glaubenskongregation den Spitznamen
„Groß-Inquisitor“. Doch den früheren Bischof von Regensburg als
konservativen Gegenspieler des Papstes abzustempeln, trifft die Sache
nur halb. Müller ist eine Reizfigur – und der Papst scheint das für
sich zu nutzen. Von Amts wegen ist Müller dafür verantwortlich,
darauf zu achten, dass die Normen der katholischen Dogmatik
eingehalten werden. Sympathiepunkte zu sammeln, ist da schwierig.
„Katholisch ist nicht einfach ein Kollektivbegriff – Tutti Frutti für
alles Mögliche. Wir haben klare Vorgaben von der Offenbarung Gottes,
wie sie in der Heiligen Schrift dargelegt sind. Das Lehramt des
Papstes, der Bischöfe und des Konzils hat die letzte Entscheidung.
Das muss man akzeptieren, um sich katholisch nennen zu dürfen“, sagte
Müller in einem Interview der ARD. Müller und Franziskus pflegen ein
engeres Verhältnis, als dies gemeinhin wahrgenommen wird. Sie
unterhalten sich auf Spanisch. Müller ist ein Freund und Kenner der
lateinamerikanischen Befreiungstheologie, der auch der Papst
nahesteht. Müllers Schwachstelle ist, dass er sich mit Kritik oft
schwertut. Das führte in seiner Zeit als Bischof in Regensburg zu
Konflikten mit Laien, Professoren und Priestern. Seine Haltung im
Missbrauchsskandal verärgerte viele Gläubige. Andererseits
protestierte er wiederholt gegen rechtsradikale Aufmärsche und setzte
sich öffentlich für ein Verbot der NPD ein. Als es bei der
MZ-Benefizgala 2006 darum ging, Spenden für krebskranke Kinder zu
sammeln, war Müller für den Spaß zu haben und ritt auf einem
Elefanten durch die Zirkusmanege. Müller ist ein Freund offener
Worte. Das hat den Nachteil, dass er irritiert. Auffallend ist gerade
wieder, wie sehr er den Skandalbischof aus Limburg, Franz-Peter
Tebartz-van Elst, verteidigt. Kann das dem Papst gefallen? Vielleicht
schon. Kaum jemand versteht sich besser aufs Inszenieren als die
katholische Kirche. Jeder Gottesdienst beweist das. Denkbar ist also
durchaus, dass der Papst und der Präfekt Müller eine ganz bewusste
Aufgabenteilung vornehmen. Franziskus predigt Barmherzigkeit, umarmt
Elende und gewinnt Sympathien, während Müller verteidigt, was
Franziskus – wie alle Päpste – lehrt.
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