Die Bilder aus Südafrika waren schrecklich. 34 
streikende Bergbauarbeiter starben in Marikana, Kameraleute filmten, 
wie Polizisten in der Nähe der betroffenen Lonmin-Platinmine das 
Feuer eröffneten. Es waren Szenen, wie man sie außerhalb von 
Kriegsgebieten nicht für möglich gehalten hätte. Die Bilder geraten 
langsam wieder in Vergessenheit, doch der Streik ist nicht beendet. 
Schon eine kurzfristige Einigung in dem blutigen Arbeitskampf 
erscheint trotzdem weit entfernt. Die tiefer gehenden Ursachen für 
den Konflikt sind aber selbst mittelfristig nicht zu beheben. In kaum
einem Land ist die Spanne zwischen Arm und Reich so groß wie in 
Südafrika – und sie ist seit dem Ende der Apartheid 1994 noch größer 
geworden. In den vergangenen Monaten haben die Proteste in 
Armenvierteln zugenommen. Die Löhne stagnieren, während die Kosten 
für Transport und Nahrung steigen. Politiker wie Südafrikas Präsident
Jacob Zuma stehen vor einer kaum lösbaren Aufgabe. Das Volk erwartet 
gesellschaftlichen Wandel in einer Geschwindigkeit, die selbst von 
effizienteren Administrationen nicht zu bewältigen wäre. Der Mehrheit
der Wähler sind die Auswirkungen der Finanzkrise nicht bewusst. Auch 
die Tatsache, dass Südafrika im Wettbewerb steht mit Ländern wie 
Indien, wo die Gehälter noch weit niedriger sind, ist schwer zu 
vermitteln. Wie auch? Eine Minderheit fährt in Luxus-Limousinen auf 
Autobahnen an Townships vorbei, während deren Bewohner auf lange 
versprochene Leitungen für Strom und Wasser warten. Die Kluft 
zwischen Arm und Reich ist oft auch eine zwischen gut und schlecht 
Ausgebildeten. In Südafrika haben die Privatschulen hohes Niveau, 
während die Ergebnisse des öffentlichen Bildungssystems selbst im 
kontinentalen Vergleich mäßig sind – trotz enormer Investitionen. 
Doch nur ein weiterer Anstieg der Bildungsausgaben kombiniert mit der
Schaffung von effizienten Strukturen werden Gesellschaften wie 
Südafrika dauerhaft festigen können. Nicht allein hier scheuen 
Politiker die nötigen Reformen, schließlich profitiert die Nation 
wirtschaftlich erst nach Jahrzehnten – also lange nach der eigenen 
Amtszeit. Der Kontinent braucht aber Politiker, die dieses Risiko 
eingehen. Es gibt sie kaum. Unter der Bedingung der weitsichtigen 
Verwendung darf auch die stärkere steuerliche Belastung der 
Rohstofffirmen kein Tabu sein. Viele Länder in Afrika haben zu wenig 
vom Preisboom ihrer Rohstoffe profitiert, der durch die Nachfrage aus
Schwellenländern wie China ausgelöst wurde. Es bedarf des Drucks der 
Zivilgesellschaft in Afrika, aber auch in den Industrienationen, um 
diese oft verschleierten Investitions- und Steuererleichterungen 
transparent zu machen und, wo angebracht, zu korrigieren. Dass es 
auch in Afrika erfolgreiche Kooperationen zwischen Regierungen und 
Konzernen geben kann, zeigt das Beispiel von Botsuana. Hier hat die 
Regierung Beteiligungen an den wichtigsten Minen sowie ein effektives
Steuersystem aufgebaut, bietet aber dank Rechtssicherheit und 
Investitionen in die industrielle Infrastruktur gute 
Rahmenbedingungen für Unternehmen. Nur wenn der Druck auf Politik und
Wirtschaft gleichermaßen zunimmt, hat Afrika eine Chance, eine 
gesunde Mittelschicht aufzubauen. Sie entscheidet über die Zukunft 
des Kontinents. Gleiches gilt übrigens ganz nebenbei auch für Europa.
In Deutschland ist die Ungleichheit bei der Einkommensverteilung 
zuletzt stärker gewachsen als in den meisten anderen 
Industrienationen. Die oberen zehn Prozent unserer Gesellschaft 
verdienen im Schnitt acht Mal so viel wie die unteren zehn Prozent. 
Das ist mit den Zuständen in Südafrika nicht zu vergleichen, dort ist
das Ungleichgewicht um ein Vielfaches größer. Aber die Wut, die auch 
in Deutschland zu spüren ist, gibt eine Ahnung von der Frustration, 
die in Südafrika und anderen Ländern Afrikas allgegenwärtig ist. 
Autor: Christian Putsch
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