Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zu Euro/Griechenland

von Stefan Stark, MZ

Money for nothing“ (auf Deutsch: Geld für nichts) – dieses Lied
der britischen Rockband Dire Straits wäre die perfekte musikalische
Untermalung gewesen für den Wahlkampf des griechischen Sozialisten
Alexis Tsipras. (Dire Strates bedeutet frei übersetzt übrigens
„völlig pleite“). Der Wahlsieger von Athen hat seinen Landsleuten das
Blaue vom Himmel versprochen: höhere Renten, die Beibehaltung des
aufgeblähten Staatsapparats, den Stopp der Privatisierungen – und
gleichzeitig einen weiteren Schuldenerlass durch die restlichen
Euroländer. Wohl wissend, dass Griechenland ohne den Finanztropf der
Partnerstaaten faktisch bankrott wäre. Warum nicht gleich noch einen
neuen Swimmingpool auf Staatskosten für jeden griechischen
Hausbesitzer, während sich die Millionäre nach wie vor um Steuern
drücken? Es stellt sich die Frage, ob man Tsipras für unverschämt
halten soll, oder ob er nur hoch gepokert hat und gerade dabei ist,
sich gewaltig zu verzocken. Nun hat Tsipras seinen Finanzminister
Gianis Varoufakis auf Europa-Tour geschickt, um die Stimmung zu
testen. Und die ist seit dem angekündigten Hinauswurf der Troika
verpestet. Denn damit demonstriert Athen absoluten Reformunwillen –
womit sich das neue links-rechts-Bündnis von den zahlreichen
Vorgängerregierungen in nichts unterscheidet. Was man im EZB-Turm in
Frankfurt davon hält, machten die Währungshüter noch vor dem
Eintreffen von Varoufakis in Deutschland klar: Mit der Ankündigung,
griechische Staatsanleihen nicht mehr als Sicherheit für EZB-Kredite
zu akzeptieren, hat man Athen schon einmal die Folterinstrumente
gezeigt. Der Warnschuss ist eine Retourkutsche für die Abkehr vom
Sparkurs. Und gleichzeitig das überfällige Signal, dass man sich von
Tsipras nicht auf der Nase herumtanzen lassen will. Dass die EZB kurz
darauf den Griechen Notfallkredite von 60 Milliarden Euro genehmigte,
steht nicht unbedingt im Widerspruch zur vorhergehenden Warnung.
Dieser Beschluss zeigt nur, wie ernst es um die griechischen Banken
bestellt ist. Sie werden die Hilfen bald brauchen, um die
Geldautomaten auch künftig zu füllen. Gestern prallten in Berlin zwei
Welten aufeinander: Hier der linke Schuldenguru Varoufakis, der
Deutschland Zugeständnisse abringen wollte. Dort der konservative
Sparmeister Wolfgang Schäuble. Der Gesandte Athens erschien in der
Rolle des Bittstellers, weil sich sein Chef Tsipras in eine
vertrackte Lage manövriert hat. Entweder bricht er zu Hause seine
Wahlversprechen, oder er kündigt die Absprachen mit den Europartnern
und riskiert den Staatsbankrott. Dieser Konstellation war sich
Schäuble natürlich bewusst, als er seinem griechischen Kollegen
völlig zu Recht die kalte Schulter zeigte: „Wir sind uns einig, dass
wir uns nicht einig sind,“ kommentierte Schäuble den Ausgang des
Treffens. Die Botschaft an die klammen Hellenen lautet: Haltet euch
an die getroffenen Vereinbarungen – vielleicht reden wir dann künftig
über Zugeständnisse – wie auch immer diese aussehen könnten. Auch der
deutsche Finanzminister befindet sich in einem Dilemma. Ein weiterer
Schuldenschnitt für Griechenland würde diesmal im Bundeshaushalt
wirksam. Es wäre den Steuerzahlern hierzulande kaum vermittelbar,
dass sie die Wahlgeschenke von Tsipras bezahlen sollen. Damit würde
die CDU der eurokritischen AfD die Wähler regelrecht zutreiben.
Außerdem kann Schäuble auf europäischer Ebene keinen griechischen
Präzedenzfall zulassen. Dadurch würden die Euro-Länder düpiert, die
sich glaubhaft um Reformen bemühten – Spanien, Portugal und Irland.
Vielmehr noch könnten sich aber die Superschuldenländer Frankreich
und Italien ermutigt fühlen, den griechischen Weg zu gehen: Money for
nothing and risks for free (frei übersetzt: Geld für nichts und alle
Risiken den Steuerzahlern). Das wäre der Glaubwürdigkeitsbankrott für
den Euro.

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