Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zu Koalition/Asylpolitik

von Reinhard Zweigler, MZ

Die Salven, Ultimaten, Drohungen, die von München Richtung
Merkel-Berlin abgefeuert, gestellt und entgegengeschleudert worden
waren, hatten es in sich. Um die Kanzlerin zu einem weniger
flüchtlings-freundlichen Kurs zu bewegen, malte Horst Seehofer nicht
weniger als den Bruch der Koalition an die Wand. Transitzentren
müssten her, lautete das Manna. Nur durch solche Einrichtungen könne
die Macht der Union, der Christsozialen im Freistaat allemal,
gesichert, die Handlungsfähigkeit des Staates wieder hergestellt
werden. Dermaßen aufgepumpt und mit Erwartungen überfrachtet, gab es
im Kanzleramt nur ein schwaches Gipfelleuchten. Es wurden weitere
Schrittchen beschlossen, um der ausufernden Situation an den
Grenzübergängen und in den Aufnahmeeinrichtungen wieder Herr zu
werden. Große Sprünge waren angesichts der Größe und
Vielschichtigkeit dieser Aufgabe auch nicht zu erwarten. Die nun
beschlossenen Maßnahmen atmen eher den Geist Merkels und ihres
obersten Flüchtlings-Managers Peter Altmaier, als den der krachenden
CSU-Forderungen. Hinter den wohlklingenden Absichtserklärungen können
sich alle drei Koalitionäre gesichtswahrend versammeln. Immerhin.
Statt Seehofers Transitzonen unmittelbar an der
bayerisch-österreichischen Grenze sollen nun drei bis vier
Registrierzentren im Land entstehen, wie das die SPD forderte. Statt
einer Art Haft gibt es Residenzpflicht im jeweiligen Kreis. Doch viel
wichtiger als der Streit um Begriffe und Namensschilder ist, dass in
diesen Einrichtungen jene Ankommenden erfasst werden sollen, die
keine Aussicht auf ein Bleiberecht in Deutschland haben. Etwa jene,
die aus West-Balkan-Staaten kommen, keine Ausweispapiere haben oder
etwa bereits in anderen EU-Staaten Asyl beantragt haben. Nach
spätestens drei Wochen soll über die – unbegründeten – Asylanträge
rechtskräftig entschieden sein. Zurzeit dauert es beim arg
überforderten Bundesamt in Nürnberg Monate, gar Jahre! So darf es
nicht weitergehen. Auch dass in diesen Fällen mehr Tempo und
Stringenz bei der Abschiebung einsetzen soll, klingt gut. Wer beim
Asylverfahren nicht mitwirkt, verliert seinen Anspruch auf Asyl und
auf staatliche Unterstützung. Doch, war die Umsetzung des
verschärften Asylgesetzes nicht bereits vorher beschlossen worden?
Fraglich ist zudem, ob mit diesen Maßnahmen der Zustrom nach
Deutschland begrenzt werden kann. Es ist zu befürchten, wohl eher
nicht. Eine wirkliche Entlastung für die niederbayerischen
Grenzregionen, aber auch für alle Kommunen, die Flüchtlinge
unterbringen müssen, ist damit nicht sehr wahrscheinlich. Mit dem
Flüchtlingsproblem verbunden ist zudem etwas lange Zeit Undenkbares:
Der Nimbus der Kanzlerin nimmt Schaden. Vor wenigen Wochen noch war
Angela Merkel die unerreichbare Nummer 1 der deutschen Politik. In
wenigen Wochen ist aus der Wir-schaffen-das-Kanzlerin eine weithin
ohnmächtige Bittstellerin geworden. Sie bittet die hartleibigen
EU-Mitglieder, ihre Grenzen ebenfalls zu öffnen, plädiert
gebetsmühlenartig für eine „faire Verteilung“, geht vor Erdogan in
die Knie, damit der syrische und irakische Flüchtlinge bitteschön in
der Türkei halten möge. Und bei der Mammutaufgabe – der Bekämpfung
von Fluchtursachen, in Syrien, im Irak, in zahlreichen afrikanischen
Ländern, in Afghanistan – kommt die deutsche Diplomatie kaum voran.
Unter dem Strich keine rosigen Aussichten, das Flüchtlingsproblem
nachhaltig zu mildern, oder auch nur staatlich in den Griff zu
bekommen. Wenn es schief geht, könnte das Flüchtlings-Problem die
Kanzlerinnen-Dämmung einläuten. Die machtbewusste Merkel selbst weiß
das nur zu gut.

Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de