von Ulrich Heyden, MZ
   Kommt in Russland jetzt eine neue Terrorwelle? Der selbst ernannte
„Emir des Kaukasus“ und angebliche Führer der bewaffneten 
islamistischen Gruppen, der Tschetschene Doku Umarow, rief bereits im
Juli 2013 in einer Videobotschaft auf, die Spiele „mit allen Mitteln,
die Allah erlaubt“, zu verhindern. Die Winterspiele selbst sind nicht
gefährdet, denn die Region Sotschi ist mit mehreren 
Sicherheitskordons umgeben. Aber Anschläge treffen friedliche Russen 
jetzt an Orten, die sich nur schwer gegen Terroristen abschirmen 
lassen. Alles, was der Kreml jetzt bräuchte, wäre Ruhe im Land. 
Russland will sich von seiner humanen, sportlichen Seite zeigen. Die 
Milliarden Euro, die in den Bau der Sportanlagen, Eisenbahnlinien und
neuen Straßen in Sotschi investiert wurden, sollen sich mindestens in
einem Image-Gewinn für das Land auszahlen. Russlands Präsident 
Wladimir Putin will die Welt in Sotschi nicht nur mit der Kombination
von Meer, Palmen und schneebedeckten Bergen beeindrucken. Er will 
auch ein Signal setzen, dass Russland sich als die mächtigste Macht 
im Kaukasus sieht. Die Nato, in welche der georgische Präsident 
Michail Saakaschwili sein Land möglichst schnell führen wollte, 
möchte der russische Präsident in der an Erdöl und strategischen 
Pipelines reichen Region nicht sehen. Doch gegen den islamistischen 
Untergrund im Nordkaukasus scheinen selbst die kampferfahrene 
russische Armee und die inzwischen modern ausgerüsteten 
Spezialeinheiten machtlos. Seit 1998 gewann in der Region unter dem 
Einfluss von Söldnern aus Saudi-Arabien und Jordanien der Wahabismus 
an Einfluss. Seit dem Ende des zweiten Tschetschenienkrieges 2003 
entwickelten sich in den muslimisch geprägten Teilrepubliken 
Dagestan, Tschetschenien, Inguschetien und Kabardino-Balkarien 
militante Gruppen – sogenannte Dschamate, die den Nordkaukasus von 
Russland lösen und in der Region einen Gottesstaat errichten wollen. 
Seit dem Ende des Tschetschenienkrieges köchelt im Nordkaukasus ein 
Bürgerkrieg auf kleiner Flamme. Der islamistische Untergrund macht 
mit immer neuen Terror-Aktionen gegen örtliche Minister, 
Staatsanwälte, Vertreter der Sicherheitsstrukturen, Vertreter der 
Kreml-nahen Partei Einiges Russland und angeblich Moskau-hörige 
Muftis von sich reden. Die russischen Spezialeinheiten reagieren mit 
brutalen Säuberungsaktionen, bei denen aller paar Monate, wenn nicht 
Wochen, die Stadt-Wohnungen oder Wald-Verstecke von Terroristen 
gestürmt werden. Die „Lesniki“, wie man die bewaffneten 
islamistischen Gruppen in den Wäldern nennt, bekommen trotz der 
zahlreichen „Säuberungsaktionen“ immer neuen Nachschub von jungen 
Männern, die teils aus religiöser Überzeugung, teils wegen des 
Geldes, das sie in den Kampfgruppen verdienen können, bereit sind, 
das zivile Leben in den Städten aufzugeben. Für die Verhaftung eines 
verdächtigten jungen Mannes in Dagestan reicht es oft schon aus, dass
der Festgenommene den Backenbart der Salafisten trägt. Bei Verhören 
wird oft Folter angewandt, wie die Rechtsschutzorganisation „Mütter 
von Dagestan“ berichtet. Die Salafisten, die Strömung des „reinen 
Islam“ gewinnt im Nordkaukasus immer mehr Anhänger. Vor allem in 
Dagestan kontrollieren sie bereits zahlreiche Moscheen. Außerdem 
verfügen sie über eigene Schulen und Kindergärten. Der Kreml muss 
sich die Frage stellen, ob er den Kaukasus nur beherrschen oder ob er
auch die Menschen, die dort leben, als Staatsbürger gewinnen will. 
Dazu reicht es nicht, den Wiederaufbau von Tschetschenien mit 
Milliarden Rubel zu unterstützen. Der Kreml muss öffentlich für 
Dialog und Toleranz mit den Menschen im Kaukasus eintreten und den 
anti-kaukasischen Rassismus bekämpfen.
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