Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zu Trump/Handelsstreit

Beim Schach bezeichnet man Partien, die nach
vielen Zügen und vielen Stunden Bedenkzeit nicht entschieden sind,
als Hängepartie. Sie werden zu einem anderen Zeitpunkt fortgesetzt.
Donald Trump zwingt seinen europäischen Partnern nun eine solche
Hängepartie auf. Er hat seine Entscheidung über mögliche
US-Strafzölle für Stahl- und Aluminiumprodukte aus der EU bis zum 1.
Juni verschoben. Doch über die neuerliche Schonfrist kann sich
niemand in der EU freuen. Sie ist ein Affront gegen die Partner auf
der anderen Seite des Atlantik. Weder Trumps neuer „Freund“ Emmanuel
Macron noch die deutsche Kanzlerin haben bei ihren Gesprächen einen
Sinneswandel des Präsidenten bewirkt. Der Immobilienmilliardär im
Weißen Haus zeigte erstens, dass er von einem liberalen Welthandel
rein gar nichts hält und zweitens, dass er ein knallharter Vertreter
von eng verstandenen US-Interessen ist. Trump hängt offenbar dem
Irrglauben an, dem bereits viele Verfechter des Protektionismus zuvor
verfallen waren. Er meint ernsthaft, dass höhere Zölle auf viele
Produkte aus Deutschland und anderen EU-Staaten die lahmende
US-Konkurrenz fit machen würden. Ein Blick in die globale
Wirtschaftsgeschichte vergangener Jahrhunderte zeigt indes, dass
Abschottung und willkürliche Zollschranken fast immer wie ein
Bumerang auf die eigene Wirtschaft zurückschlugen. Vermutlich stoßen
Berater des Präsidenten, die mit den komplexen Wechselwirkungen der
globalen Wirtschaft an ihn herantreten, auf taube Ohren. Dass der
Präsident auf längere Sicht der eigenen Wirtschaft und
US-Verbrauchern einen Bärendienst antut, kann oder will er nicht
verstehen. Auf die Strafzölle, sollten sie in vier Wochen denn
kommen, wird die Verärgerung über steigende Preise in den USA folgen.
Die Nachfrage nach den – im Vergleich zu deutschen Premiumfahrzeugen
– zum Teil technisch überholten US-Automobilen wird der Präsident mit
Strafzöllen ebenfalls nicht ankurbeln. Allerdings sollte die EU
ernsthaft darüber nachdenken, warum sie Fahrzeuge aus US-Produktion
weiterhin mit zehn oder mehr Prozent Zoll belegt, während Autos aus
EU-Produktion mit gerade mal 2,5 Prozent belegt werden, wenn sie in
die USA geliefert werden. Dass Trump bei den Ausnahmen von
Strafzöllen und anderen Importhindernissen für bestimmte Produkte aus
der EU auf Zeit spielt, ist schädlich für betroffene Unternehmen und
Volkswirtschaften. Zugleich konterkariert der Präsident das hehre
Leitbild vom „freien Welthandel“ und verunsichert die Weltkonjunktur.
Produkte, die wegen hoher US-Einfuhrzölle nicht mehr in den USA
abgesetzt werden können, suchen sich andere Absatzmärkte. Viele
Märkte stöhnen bereits unter Überkapazitäten und Dumpingpreisen.
Trump riskiert die Eskalation eines Handelskonfliktes und er
erschüttert das sorgsam über die Welthandelsorganisation (WTO)
austarierte Geflecht internationaler Handelsvereinbarungen. Dennoch,
und so sehr man sich über Trumps Halsstarrigkeit aufregen kann, hilft
es nicht weiter, wenn die EU mit gleicher Münze zurückzahlen würde.
Sie muss auf Entschärfung des Konflikts statt auf Eskalation
hinwirken. Dass in Brüssel bereits Listen mit US-Produkten kursieren,
für die man dann Strafzölle kassieren würde – von Erdnussbutter, über
Whisky und Motorräder bis zu Jeans -, ist eher lächerlich und ein Akt
von Hilflosigkeit obendrein. Davon würde sich der hart gesottene
Präsident keinesfalls beeindrucken lassen. Es führt kein Weg an
ernsthaften Verhandlungen innerhalb der WTO, an Gesprächen auf allen
Ebenen vorbei, um nicht nur die beabsichtigten Strafzölle zu
verhindern, sondern auch das unsägliche Drohen damit. Übrigens gab es
bereits ein Vertragswerk, mit dem Handelshemmnisse zwischen der EU
und den USA abgebaut worden wären. Das war das TTIP-Abkommen. Jetzt
rächt sich, dass es nicht vernünftig ausgehandelt und abgeschlossen
worden ist.

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