Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zuÄgypten

Das bisher Undenkbare geschieht in der
arabischen Welt. Die Wut der unterdrückten Tunesier hat wie eine
rasende Welle die geknechteten Massen in Ägypten erreicht. Im Land
der Pharaonen gehen die Menschen auf die Barrikaden, um das
Steinzeitregime in die Wüste zu schicken. Zu schreiend sind die
sozialen Ungerechtigkeiten, die Willkürjustiz, die Korruption, als
dass sich Tyrannen – auch vom Schlage eines Husni Mubarak – Reformen
auf ewig verweigern könnten. Doch wer heute von einem arabischen
Frühling träumt, könnte schon morgen böse erwachen. Das wachsende
Heer der Unzufriedenen geht für Brot, Jobs und Perspektiven aus der
Hoffnungslosigkeit auf die Straßen. Dass daraus eine Demokratisierung
erwachsen könnte, ist im Augenblick nur eine Hoffnung. Mubarak ist
ein anderes Kaliber als der Tunesier Ben Ali. Er stützt seine Macht
auf einen Polizeistaat und Günstlinge in Politik, Militär und
Gesellschaft, die bei einem Sturz Mubaraks ihre Privilegien verlören.
Dass der Apparat funktioniert, zeigte sich am „Freitag der Wut“, als
das Regime die Demonstranten niederknüppelte und Oppositionsführer El
Baradei kaltstellte. Die Frage lautet nun, ob die Protestbewegung
durchhält und wie sehr die Lage eskaliert. Denn Mubarak würde eher
auf sein Volk schießen lassen, als aus dem Land zu fliehen. Die USA
und Europa müssen Kairo zu Zugeständnissen bewegen, damit sich die
Spirale der Brutalität nicht weiter dreht. Doch auch wenn der Tyrann
sich jetzt mit Gewalt eine letzte Gnadenfrist erkämpft: Die nächste
Welle der Wut wird er nicht überstehen.

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