Kosovo, das war ein Experiment. Zum ersten Mal
in der Geschichte hat die ganze Welt sich zusammengetan, um aus dem
Nichts einen modernen Staat zu schaffen. Nicht aus Willkür oder
Experimentierlust oder sonstigen niederen Motiven; es war vielmehr
nichts da. Der Staat war serbisch gewesen und nach dem Krieg zusammen
mit den Soldaten abgezogen, unter Mitnahme fast aller Akten. So
strömten seit 1999 Heerscharen von Beratern, Diplomaten, Beamten aus
aller Welt auf den Balkan, oft Spezialisten, die auch zu Hause
gebraucht worden wären: Finanzexperten, Verwaltungsfachkräfte,
Kriminalbeamte, sogar Richter und Staatsanwälte. Geld und Zeit
spielten keine Rolle. Heute, fünfzehn Jahre nach dem Beginn des
Großversuchs, fliehen die Kosovaren kompanieweise aus ihrem Land.
Rechnet man die heraus, die schon früher weggegangen sind, ist jeder
Zweite arbeitslos. Ein Drittel der Bevölkerung lebt von weniger als
1,40 Euro am Tag – bei Weltmarktpreisen, denn produziert wird hier so
gut wie nichts. Die Korruption ist gigantisch, von Investitionen
keine Spur. Nicht Mangel an Geld, Zeit oder gutem Willen ist am
Scheitern des Experiments schuld. Kosovo hat vielmehr nur bewiesen,
dass man ein Land nicht mit Ausländern regieren und verwalten kann –
eine Erkenntnis, die eigentlich schon seit dem Scheitern des
Kolonialismus Gemeingut sein sollte. Am Anfang kamen noch Idealisten,
echte Kapazunder aus Europa, Politiker und politisch ambitionierte
Beamte, die sich mit dem Kampf der Albaner gegen das serbische
Polizeiregime identifiziert hatten. Wenn sie nach etwa zwei Jahren
etwas begriffen hatten vom Leben im Kosovo, war ihr Mandat schon
wieder abgelaufen. Es folgten die Normalos, die Pragmatiker. Sie
leisteten meistens ordentliche Arbeit, auch wenn manch eine taube
Nuss darunter war. Aber alle trösteten sich mit dem Gedanken: Dies
ist nicht mein Land. Wenn es nicht klappt, kann ich ja wieder gehen.
Die gute Absicht hinter dem Experiment Kosovo macht die Sache nicht
besser, sondern schlimmer. Wer die fremden Verwalter besiegen und
vertreiben wollte, müsste zugleich die Moderne, den Rechtsstaat, die
liberale Verfassung bekämpfen, in deren Namen die Ausländer
auftreten. Das können und wollen die Kosovaren nicht. So gehen sie
jetzt massenhaft in deren gut funktionierende Heimatländer. Uns
geschieht es recht.
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