Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zum NSU/Verfassungsschutz

von Pascal Durain, MZ

Die Skandal-und-Pannen-Liste des Verfassungsschutzes – ob nun die
der Bundesbehörde oder eines der 16 Landesämter – wird immer länger.
Nun ist klar: Wenigstens einer aus dem NSU-Trio hat für einen V-Mann
des Staates gearbeitet. Zufällig auch noch zeit- und ortsgleich mit
Morden in München und Nürnberg. Aber mindestens ebenso schockierend
ist: Auch lange nach dem Auffliegen des „Nationalsozialistischen
Untergrunds“ glänzt die Behörde mit Verschwiegenheit – und einer kaum
zu ertragenden Gleichgültigkeit. Die Begründungen dafür, dass weder
Gerichte, Untersuchungsausschüsse, Angehörige von Mordopfern noch die
Öffentlichkeit informiert werden, ist immer dieselbe: Entweder habe
man von nichts gewusst, könne sich nicht erinnern – oder man dürfe
dazu nichts sagen. Geheimes müsse ja geheim bleiben. Muss sich ein
Rechtsstaat damit abfinden? Welche Strafe hätte jemand zu erwarten,
der Anschläge, Überfälle und Morde fördert, Terroristen rekrutiert,
seinen Einfluss nutzt, um Gerichte zu täuschen, Beweise und Akten
verschwinden zu lassen und mit Steuergeldern die
Sicherheitsarchitektur des Staates zersetzt? Jede Person, jeder
Verein oder jede Partei wäre längst verboten worden beziehungsweise
hinter Gittern verschwunden. Nur jene Behörde mit
verfassungsrechtlichem Auftrag scheint Immunität zu genießen.
Allerhöchstens droht dem Chef der Rücktritt. Dieser Skandal zeigt: So
darf es nicht mehr weitergehen. Der Verfassungsschutz muss entweder
grundsätzlich reformiert oder abgeschafft werden. Entweder haben die
Verfassungsschützer von nichts gewusst und sich von Neonazis
ausnehmen und an der Nase herumführen lassen – dann ist die Behörde
überflüssig und ineffektiv. Oder die Verfassungsschützer haben alles
gewusst – und nichts unternommen. Dann ist diese Behörde nicht nur
gefährlich, sondern sie pervertiert dazu ihren Namen und ihren
Auftrag: Den Feinde der Verfassung können diese nicht schützen.

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