von Reinhard Zweigler, MZ
   Auf einer, für royale Verhältnisse, fast ärmlichen Barkasse über 
die Spree zur deutschen Kanzlerin. Über den roten Teppich zur 
Frankfurter Paulskirche, wo einst die Wiege der deutschen Demokratie 
stand. Oder heute im ehemaligen KZ Bergen-Belsen, dass vor 70 Jahren 
von britischen Soldaten befreit wurde. Queen Elizabeth II. ist mit 89
Jahren nicht nur eine sehr agile Zeitzeugin der sehr bewegten 
jüngeren deutsch-britischen Geschichte, sie ist zugleich so etwas wie
ein royaler Anker im stürmischen Europa. Ihrem Deutschlandbesuch 
wohnte die eindringliche politische Botschaft inne, Europa 
zusammenzuhalten. Die EU braucht die Briten und die Briten brauchen 
die EU. Dafür steht die Queen. Mit ihrem eindringlichen Appell hat 
die Frau, die seit 63 Jahren auf dem Thron sitzt und in dieser Zeit 
so enorm viel erlebt hat, den engen Rahmen, den die britische 
Verfassung der Monarchin einräumt, nahezu ausgeschöpft. Über dem 
jetzigen Deutschland-Besuch der Queen hängt nicht nur die brisante 
Frage eines möglichen Ausscheidens des Vereinigten Königreiches aus 
der EU, sondern auch das quälende Trauerspiel um Griechenland oder 
der Krieg in der Ukraine. Die Queen ist in dieser stürmischen Zeit, 
ähnlich wie der Papst, eine moralische Instanz, die über das Wort 
mäßigend und mahnend zugleich wirkt. In Deutschland mag sich bei dem 
einen oder anderen durchaus auch das Bedürfnis nach einem eigenen 
gekrönten Haupt wecken. Das Interesse an der Queen und der 
königlichen Familie jedenfalls ist ungebrochen. Und dies offenbar 
nicht nur wegen der bunten Klatschblätter, die über alles schreiben, 
was nur irgendwie von den Royals zu erhaschen ist. Dabei scheint 
Elizabeth II. Über den Dingen zu stehen. Sie hat den Zweiten 
Weltkrieg, anders als heutige Politiker, bewusst wahrgenommen. Sie 
hat den Fall des British Empires, den Kalten Krieg sowie den Fall des
Eisernen Vorhangs und das Entstehen neuer Demokratien erlebt. 
Verheißungsvolle Fortschritte ebenso wie bittere Rückschläge. Was für
ein Leben, dass die Queen in treuer Pflichterfüllung als oberste 
Dienerin ihres Landes bis heute absolviert. Doch auch ein goldener 
Käfig, in den sie als junge Königin nach dem Tod ihres Vaters 
hineingesetzt wurde, hat Gitterstangen. Die Pferde- und 
Hunde-Liebhaberin Elizabeth II. Iebt gewiss kein „normales“ Leben, 
sondern ein vorgegebenes. Darin hat sie sich eingerichtet. Beinahe 
skurrile, liebgewordene Angewohnheiten inklusive. Fehler und 
Fehleinschätzungen auch – etwa nach dem Tod von Prinzessin Diana. Die
sonst so nüchternen Briten – immerhin die Erfinder der neueren 
Demokratie – lieben ihre Queen. Die Schotten inklusive, die sicher 
auch wegen ihrer Königin per Referendum gegen die Loslösung von 
Großbritannien votierten. Der konservative Londoner Regierungschef 
David Cameron indes steht bei seinen Bürgern im Wort. Er muss sie 
spätestens 2017 über den Verbleib in der EU abstimmen lassen. Cameron
war sozusagen als Beipack der Queen mit nach Berlin gekommen, um für 
London-freundliche Reformen in der EU zu werben. Anders als die 
„Eiserne Lady“ Margaret Thatcher, die ihre Handtasche auf den 
Verhandlungstisch knallte und der EU vor 30 Jahren tatsächlich 
finanzielle Sonderrechte für Großbritannien abtrotzte, geht Cameron 
diplomatisch vor. Merkel könnte ihm bei Themen wie Bürokratieabbau 
und der Verhinderung von Sozialmissbrauch entgegenkommen. Auf Granit 
sollte Cameron aber beißen, wenn es um die Einschränkung von 
Grundrechten, wie der Reisefreiheit, geht. Jetzt einen Ausweg aus dem
griechischen Dilemma zu finden, ist die brennendste Aufgabe der EU. 
Den Briten einen gesichtswahrenden, nach vorn gerichteten Verbleib in
der Gemeinschaft zu ermöglichen, steht ebenso auf der Agenda.
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