Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel der Mittelbayerischen Zeitung zu Griechenland

Er habe keinen Plan B, erklärte Griechenlands
Finanzminister Gianis Varoufakis in seiner etwas gönnerhaften Art,
nachdem zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage ein Einigungsversuch
zwischen ihm und den anderen 18 Ministern der Euroländer gescheitert
war. Auch die Tatsache, dass zum Beispiel die deutschen Banken schon
Vorbereitungen für einen Ausstieg Griechenlands aus der
Gemeinschaftswährung getroffen haben und vielen ein „Ende mit
Schrecken“ zunehmend als bessere Variante erscheint, beeindruckt den
selbstverliebten Ex-Professor nicht. Er doziert gern über die
Unterschiede zwischen Versuchsanordnungen in der Spieltheorie und dem
wahren Politikerleben – nur leider fehlt ihm für ein Urteil darüber
jede Erfahrung. In der Spieltheorie gehe man davon aus, dass
Meinungen unverrückbar und selbstsüchtig seien, belehrte der Grieche
nach dem frühen Ende der Eurogruppe seine Zuhörer. Doch die
europäische Politik sei eben kein Pokerspiel, wo jeder nur an den
eigenen Gewinn denke und an dem Blatt auf seiner Hand nichts ändern
könne. Vielmehr wollten in der EU alle das Ehrenhafte. Eine gütliche
Einigung sei für alle die einzige Lösung. Wer etwas anderes behaupte,
sei ein Anti-Europäer. Stünde nicht so viel auf dem Spiel, man müsste
die Chuzpe bewundern, mit der hier Ursache und Wirkung vertauscht und
aus Tätern Opfer gemacht werden. Vanoufakis beherrscht das Fechten
mit Worten so gewandt, dass man am Ende seiner eleganten Rede fast
vergessen hat, dass es die neue Regierung in Athen ist, die
bestehende Verträge einseitig aufkündigen und von ihren Vorgängern
unterschriebene Zusagen nicht erfüllen will. Zunächst hieß es, man
wolle gar kein neues Geld, sondern eine Schuldenkonferenz, um sich
von den Altlasten zu befreien. Davon ist inzwischen keine Rede mehr.
Athen versichert nun, seine Schulden irgendwann zu begleichen und
möchte auch die ausstehenden Kreditraten in Anspruch nehmen. Dafür
werde man siebzig Prozent der Auflagen erfüllen und dreißig Prozent
durch andere Sparmaßnahmen ersetzen. Seit allerdings die Experten
sich über dieses Angebot beugen und nach Zahlen fragen, wird der so
gern messerscharf formulierende Varoufakis ganz nebulös. Montagabend
sprach er plötzlich von einem Übergangskredit bis Ende August, der
mit einigen wenigen, klar umrissenen Auflagen verbunden sein soll –
mehr sei in der kurzen Zeit ohnehin nicht zu schaffen. Außerdem werde
sich Griechenland verpflichten, den Haushalt nicht mehr als nötig mit
neuen Sozialausgaben zu belasten. Bis August will die Regierung in
Athen mit den Geldgebern einen Vertrag auf Augenhöhe aushandeln, der
die ruinöse Sparpolitik beendet und die griechische Wirtschaft
ankurbelt. Das sei, so Varoufakis, ein vertrauensbildendes Angebot
und außerdem im beiderseitigen Interesse. In einem Labor für
Spieltheorie würde sich auf einen solch schwammigen Vorschlag kein
klar denkender Mensch einlassen – und im wirklichen Leben tut es
hoffentlich auch keiner. Die europäischen Regierungen sind
keineswegs, wie es Varoufakis anzunehmen scheint, aus Liebe zu Europa
völlig blind für ihre eigenen Interessen. Ihr bisheriger Langmut und
ihre Bereitschaft zu immer neuem Palaver rühren nur daher, dass die
Risiken eines griechischen Austritts aus der Eurozone bislang größer
eingeschätzt wurden als die Vorteile. Doch die Gegenargumente wiegen
mit jedem Tag schwerer. Eine Regierung, die Politik wie ein
Versuchslabor betreibt, kann den Euro viel Vertrauen kosten und
untergräbt die Spardisziplin der anderen Mitglieder der
Währungsunion. Deshalb muss Brüssel jetzt auf der Einhaltung der
Regeln bestehen – ohne weitere Wortgefechte.

Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de