Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel Mittelbayerische Zeitung (Regensburg) zu Italien:

In einem Punkt hätte Niccolo Machiavelli wohl
seine Freude an den neuen Machtabern in Rom. Der Politikberater des
Rennaissance-Adels riet den Herrschern in seinem Werk „Der Fürst“,
sich nicht am Besitz ihrer Untertanen zu vergreifen. Die
populistischen Wahlsieger in Italien nehmen den Hinweis auf ihre Art
und Weise ernst. Denn für das Dolce Vita, das die Lega Nord und die
Fünf-Sterne-Bewegung ihren Landsleuten versprechen, sollen die
Nachbarn bezahlen. Früher in die Rente, Grundeinkommen von 780 Euro
im Monat, Steuern runter, Schulden rauf, Abkehr vom Brüsseler
„Spardiktat“: Das sind die Zutaten für die große Sause, die die
Allianz aus extremen Rechten und radikalen Linken in Aussicht stellt.
Damit haben Sterne-Chef Luigi Di Maio und der Lega-Vorsitzende Matteo
Salvini die Wahlen gewonnen. Wer nun unkt, dass schon viele Politiker
das Blaue vom Himmel versprachen – um dann nichts davon einzulösen –
könnte sich mit Blick auf Italien schwer täuschen. Die neuen
Machthaber sind fest entschlossen, ihre Wahlgeschenke zu verteilen.
Von solchen Wohltaten träumen auch viele Bürger hierzulande. Die
Deutschen sollen immer länger bis zur Rente arbeiten. Gleichzeitig
verharren Steuern und Abgaben auf hohem Niveau. Anstatt eines
Grundeinkommens gibt es Frust über Hartz IV. Auch in Berlin
kokettieren Politiker daher mit Erleichterungen, allerdings weit
zurückhaltender als in Rom. Um eine Größenordnung zu nennen: Die
demnächst sinkenden Beiträge zur Arbeitlosenversicherung bringen
einem durchschnittlichen Beschäftigten nicht einmal fünf Euro mehr im
Monat. Vom Grundsatz her ist es begrüßenswert, die Bürger zu
entlasten. Auch an einer höheren Verschuldung lässt sich nichts
aussetzen, wenn die Mittel in Zukunftsinvestitionen fließen. Doch wer
in großem Stil umverteilen will, muss auch das Geld dafür haben. Die
Regierung in Rom hat es nicht. Italien ächzt unter einem exorbitanten
Schuldenberg. Die versprochenen Wohltaten würden astronomische Kosten
verursachen und den Euro-Stabilitätspakt ad absurdum führen. Die
Politik der Populisten führt Italien schnurstracks in Richtung
Staatsbankrott. Am Horizont zieht die nächste Eurokrise auf, gegen
die das griechische Schuldendrama ein Klacks wäre. Di Maio und
Salvini mit ihrer Marionette Giuseppe Conte geben die Devise aus:
Italien zuerst. Damit zündeln sie am Dach der Europäischen Union. Die
neuen Herren in Rom hassen die EU und verteufeln den Euro. Daraus
haben sie nie einen Hehl gemacht. Also ist ihnen zuzutrauen, dass sie
ganz bewusst eine Finanzkrise heraufbeschwören wollen, um den Euro
gegen die Wand zu fahren. Mit welcher Chuzpe sie bereits jetzt
vorgehen, zeigt ihre Forderung nach einem Schuldenerlass von 250
Milliarden Euro, mit der sie vor einigen Tagen bei der EZB
abblitzten. Das Erpressungspotenzial ist enorm. Im Gegensatz zu
Griechenland ist Italien „too big to fail“ – zu bedeutend, als dass
man es fallenlassen könnte. Das Land ist die drittgrößte
Volkswirtschaft der Eurozone. Eine Pleite würde die Währung in den
Abgrund reißen. Dem könnten die restlichen Länder der Eurozone
schwerlich zusehen. Ein Ausscheiden Italiens wäre das teuerste aller
denkbaren Szenarien. Die anderen Euro-Länder wären gezwungen,
letztlich für die Finanzhasardeure in Rom geradezustehen, um die
Währungsunion zu erhalten. Sei es über Rettungspakete, wie sie
bereits der Regierung in Athen zuteilwurden, sei es über Euro-Bonds.
Dann wäre die Schuldenunion Fakt – und auch die deutschen
Steuerzahler würden für die Bankrotteure in Rom haften. Mitgefangen,
mitgehangen: In Italien zeigt sich wie bereits in Griechenland der
Konstruktionsfehler des Euro – nur mit ungleich größerer Wucht.
Ungeachtet seiner unbestrittenen Vorteile ist er letztlich eine
Schönwetter-Währung. Die bittere Ironie: Der ursprüngliche Zweck des
Euro, die Integration auf dem Kontinent zu stärken, könnte sich ins
Gegenteil umkehren. Ein Dauerrettungstopf für Italien würde die
Fliehkräfte beschleunigen. Sämtliche Populisten und EU-Hasser hätten
ihre wahre Freude daran. Für sie wäre es ein riesiges
Konjunkturprogramm.

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