Kim Jong Un stiehlt mit seinem Versprechen,
unilateral alle Atom- und Langstreckenraketen-Tests einzustellen,
Donald Trump einmal mehr die Show. Der nordkoreanische Machthaber
lässt den US-Präsidenten damit glauben, seine Drohgebärden zeigten
Wirkung. Verlässlich klopft sich dieser selbst auf die Schulter und
feiert auf Twitter einen „großen Fortschritt!“ Experten sehen das
nüchterner. Kim sende im Vorfeld des inner-koreanischen Gipfels diese
Woche ein cleveres Signal, ohne dafür wirklich viel aufgeben zu
müssen. Zumal er im Moment nicht das geringste Interesse hat, das für
Mai oder Juni avisierte Treffen mit Trump durch Provokationen zu
gefährden. Kim ist zwar ein ruchloser Diktator, aber bei Weitem nicht
so verrückt, wie er oftmals dargestellt wird. Tatsächlich scheint er
Trump im Atomstreit immer einen Schritt voraus zu sein. Von dem
gemeinsamen koreanischen Olympia-Team über seinen Überraschungsbesuch
in Peking bis hin zu der Gipfelidee, findet er sich auf dem
Fahrersitz. Der US-Präsident führt nicht, sondern läuft dem „kleinen
Raketenmann“ hinterher. Ohne irgendeine greifbare Gegenleistung
gewährt er Kim, was jeder Amtsvorgänger Nordkorea aus gutem Grund
verweigert hatte: Verhandlungen auf Augenhöhe. Genauso spontan wie
Trump dem Gipfel mit dem Diktator zustimmte, zog er ihn anschließend
wieder in Zweifel. „Wenn wir nicht glauben, dass es von Erfolg
gekrönt ist, machen wir es nicht“, erklärte Trump vergangene Woche
bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem japanischen
Ministerpräsidenten in Mar-a-Lago. Keine 48 Stunden vorher hatte er
in einem Tweet über den Verlauf eines geheimen Vorbereitungstreffens
seines CIA-Direktors Mike Pompeo mit Kim noch geschwärmt. „Details
des Gipfels werden gerade ausgearbeitet“, verkündete der
amerikanische Präsident in der Kurznachricht. „Eine Denuklearisierung
wird großartig für die Welt sein, aber auch für Nordkorea“. Wohl
wahr, wenn es denn dazu käme. Doch genau daran bestehen ernste
Zweifel. Nordkorea ist bereits eine Atommacht, verfügt über ein
Arsenal an Raketen und hat keinerlei Intention zu erkennen gegeben,
darauf zu verzichten. Kim kann seinen Teststopp zudem jederzeit
revidieren. Bei der tatsächlichen Aufgabe der Atomwaffen liegt der
Knackpunkt, der am Ende darüber entscheidet, wer sich in dem Poker
durchsetzt. Der Nationale Geheimdienstdirektor im Weißen Haus, Dan
Coats, wies den Präsidenten darauf hin, dass Kim in der Atombombe die
Überlebensgarantie für Nordkorea sieht. Diese Sicht sei vor allem
durch die historische Erfahrung der US-Invasion des Irak 2003 geprägt
worden. Kim verlangt Sicherheitsgarantien für die Aufgabe seiner
Atomwaffen, die Trump dem Regime nicht geben kann. Wie die USA aus
schlechter Erfahrung guten Grund haben, den Zusicherungen der
Nordkoreaner nicht zu trauen, gibt es bei diesem Präsidenten leider
auch berechtigte Zweifel an der Verlässlichkeit seiner Zusagen. Wenn
der US-Präsident im Mai ohne Not das Atomabkommen mit Iran
aufkündigt, liefert er Kim den ultimativen Grund, seine Atomwaffen
niemals aufzugeben. Warum sollte dieser das Überleben seines Regimes
von den Zusagen einer Macht abhängig machen, die geschlossene
Verträge nach Gutdünken kündigt? Wer Trump zum „Hipster der
Diplomatie“ verklärt, versucht, das planlose Durcheinander einer
Politik aus dem Bauch heraus zu rationalisieren. Doch
Sprunghaftigkeit sollte nicht mit Unberechenbarkeit verwechselt
werden. Im Fall Nordkoreas könnte das ein böses Ende nehmen.
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