CSU verdient das Prädikat mangelhaft
Was haben CSU und Mindestlohn, CSU und neue Stromtrassen und CSU
und B15 neu gemein? Hinter jedem Fall steckt eine politische
Entscheidung der Regierungspartei, die erst getroffen, dann aber
selbst als höchst mangelhaft deklariert wurde. Allerdings erst,
nachdem es böse öffentliche Proteste gegeben hatte. Nun spricht
grundsätzlich nichts dagegen, den Rückwärtsgang einzulegen, wenn man
den falschen Weg eingeschlagen hat. Es kann unter Umständen ein
Zeichen von Größe sein. Wenn es sich aber derart häuft wie zuletzt,
beweist es nur, dass das Qualitätsmanagement der CSU zu wünschen
übrig lässt. Mindestlohn, Stromtrassen und B15 neu – jeder Fall ist
einzeln zu betrachten. Beim Mindestlohn, bei dem die CSU nicht die
8,50 Euro, sondern das Ausmaß der Bürokratie in Frage stellt,
überrascht am meisten, dass die CSU überrascht ist. Als
Regierungsmitglied in Berlin und München verfügt die Seehofer-Partei
über einen großen Expertenapparat. Ähnliches gilt für die Fraktionen
in Bund und Land. Man würde glauben, dass dort Auswirkungen eines
neues Gesetzes an exemplarischen Beispielen durchgespielt werden.
Doch offenbar hat jeder darauf gebaut, dass schon der andere genauer
hinsehen wird – und am Ende verließen sich alle auf
Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles. Eine CSU, die blind auf die
SPD vertraut: Das hat eine humoristische Note. Ein Qualitätssiegel
ist es nicht. Hinterher rumzujammern, ist albern. Vor allem, da es
vorab genug Warnhinweise aus der Wirtschaft gab. Es werden beim
Mindestlohn auch nicht nur Krokodilstränen geweint. Es gibt
ernsthafte Anlaufschwierigkeiten. So manche soziale Einrichtung plagt
sich mit Altverträgen herum, die mit Subunternehmern geschlossen
wurden. Mühsam wird herumgeschraubt, um Vereinbarungen nachträglich
aufzupolstern und dafür vom Staat auch einen Nachschlag bei den
Zuschüssen zu erhalten. Der hübsche Vorschlag des bayerischen
Kabinetts, dass die Einhaltung des Mindestlohns bis auf weiteres
nicht kontrolliert werden sollte, hilft nicht weiter. Früher oder
später kommen die Kontrolleure doch. Und wer weiß, ob und was sich
beim Mindestlohngesetz wirklich ändern wird. Noch größer ist das
Tohuwabohu bei den geplanten neuen Gleichstromtrassen – bekanntlich
im Sommer 2013 von der CSU im Bundesrat abgesegnet, ohne dass
wenigstens Erdverkabelung angemahnt worden war. Was wäre eigentlich
passiert, wenn Anfang 2014 entlang der möglichen Trassen kein
Proteststurm losgebrochen wäre? Wenn Bürger für den raschen
Atomausstieg die Projekte zähneknirschend in Kauf genommen hätten?
Viel spricht dafür, dass es dann weder Planungsstopp noch
Energiedialog gegeben hätte – und auch nicht die Einschätzung, das
vielleicht doch eine Stromtrasse ausreichend ist. Wobei das
Kuddelmuddel immer weiter geht. CSU-Chef Horst Seehofer, der zuletzt
bis Aschermittwoch eine Einigung mit dem Bund verkünden wollte,
schiebt die Entscheidung nun wohl doch wieder auf die lange Bank. Die
Kurzzeitdebatte um den Weiterbau der B15 neu, binnen zwei Wochen erst
gestoppt und dann wieder aufs Gleis gesetzt, ist in diesem
Zusammenhang eine Marginalie. Doch sie rundet das Bild und legt das
Verhaltensmuster bloß. Die von Seehofer viel beschworene Koalition
mit den Bürgern ist eine Koalition mit den protestierenden Bürgern.
Erst wird munter beschlossen – am Ende als Erfolg gefeiert, wenn die
gröbsten Auswüchse beseitigt werden können. Ein Armutszeugnis für die
so stolze CSU. Die Frage ist, wann man Lehren aus diesem Schlamassel
zieht. Aufgabe der Politik ist es, fundierte Entscheidungen zu
treffen. Man nennt es ernsthaftes Regieren. Diese Verantwortung nimmt
der CSU keiner ab.
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