Die Situation ist verquer: Für das 
Ausbildungsjahr haben viele junge Menschen noch keine Stelle. Das 
zeigen die Zahlen der Arbeitsagentur. Zugleich suchen andererseits 
vor allem Handwerksbetriebe zum Teil händeringend Lehrlinge. Auf dem 
Ausbildungsmarkt bildet sich eine Zweiklassengesellschaft. Den 
paradoxen Negativtrend bestätigt der Berufsbildungsbericht 2014. Auf 
169 Seiten werden die wichtigsten Daten zum Ausbildungsmarkt 
aufgeführt und Schwerpunkte für die Berufsbildungspolitik der 
nächsten Jahre festgelegt. Dem Bericht zufolge wurden 2013 530 700 
Neuverträge mit Auszubildenden abgeschlossen. Das ist ein Rückgang 
von mehr als 20 000 Verträgen im Vergleich zum Vorjahr. Die Zahl der 
mit einem Ausbildungsplatz „unversorgten“ jungen Menschen stieg um 
mehr als 5000 auf 21 000. Parallel blieben etwa 33 500 Lehrstellen 
unbesetzt. Das sind 40 Prozent der ausgeschriebenen Stellen. 
Jugendliche mit gutem Schulabschluss, vielleicht sogar mit Abitur, 
werden von Betrieben umworben. Die Besten und meist auch die 
Zweitbesten schlagen jedoch oft einen anderen Weg ein. Laut 
Berufsbildungsbericht haben sich 2013 zum ersten Mal mehr 
Schulabgänger für ein Studium als für eine Ausbildung entschieden. Am
anderen Ende der Bildungsleiter sieht es ganz anders aus. Wer einen 
Hauptschulabschluss hat, tut sich oft schwer. Der Ruf der Schule und 
eines Stadtbezirks spielen eine Rolle. Wer ein schlechtes Zeugnis hat
und in einem Problembezirk wohnt, fällt schnell durch das Raster. 
Hinzu kommt, dass so mancher Absolvent schlichtweg nicht 
ausbildungsreif ist. Die Verfasser des Berufsbildungsberichts 
sprechen von einem Matchingproblem. Der Ausbildungsmarkt steht vor 
gewaltigen Herausforderungen. Etliche Einzelmaßnahmen wurden bereits 
ergriffen. Handwerkskammern werben für eine Lehre als Bäcker oder 
Klempner. In den Industrie- und Handelskammern erklingt ein Loblied 
auf eine duale Ausbildung. Zu recht, schließlich werden wir im 
Ausland für diese qualitätvolle und praxisnahe Ausbildung beneidet. 
Die Arbeitsagentur versucht in Zweite-Chance-Projekten nachzusteuern 
und Schwächere fit für den Ausbildungsmarkt zu machen. Dennoch: All 
das konnte nicht verhindern, dass die Berufsausbildung an den Rand 
gedrängt wurde. Es gibt verschiedene Ansatzpunkte, um die Weichen bei
der Ausbildung in Richtung Zukunft zu stellen. Die sich breit 
machende Studium-für-alle-Tendenz muss kritisch hinterfragt werden. 
Ausbildungsgänge müssen durchlässig und flexibel sein, damit 
Quereinstiege und Kursänderungen möglich sind. Aber das wichtigste 
ist, zuerst an die Schwächsten zu denken. Die Gesellschaft droht die 
Bildungsverlierer aus dem Blick zu verlieren. Davor wird bereits seit
mehreren Jahren gewarnt, doch verbessert hat sich trotz allem noch 
immer wenig. Viele Firmen müssen inzwischen ausgleichen, was in 
Schule und Elternhaus versäumt wurde. Handwerksmeister geben ihren 
Auszubildenden Nachhilfe in Rechnen, Lesen und Schreiben. Dies ist 
lobenswert. Gleichzeitig ist das aber auch beschämend. Denn die 
Grundlagen sollten längst gelegt sein. Jungen und Mädchen, die eine 
Schulzeit voller Misserfolge hinter sich haben, können oder wollen 
sich nicht mehr motivieren und irgendwann ist es auch zu spät, sie 
von außen für etwas zu begeistern – schon gar nicht, wenn dieses 
etwas mit Anstrengungen, Geduld, Unannehmlichkeiten und Rückschlägen 
verbunden ist. Vorher muss angesetzt werden. Junge Menschen müssen 
nach der Schule ausbildungsreif sein, sonst haben sie gar keine 
Chance.
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