Erfurt und Dresden, CDU und Grüne. Zwei ganz
unterschiedliche Parteien haben an diesem Wochenende ihren Fahrplan
für die Europawahl am 25. Mai festgelegt. Was beide eint, ist das
grundsätzliche Bekenntnis zu Europa, zur Europäischen Union, zu
seinem Parlament, zu seinen Institutionen – wie kritikwürdig und
verbesserungsbedürftig die im Einzelnen auch sein mögen. Für die
Europawahl im Mai kommt es zu einer breiten Front von Europa-Parteien
– von CDU, CSU, SPD bis zu Grünen, FDP und Teilen der Linken. Auf der
anderen Seite machen sich Europa-Skeptiker, bis hin zu offenen
Feinden der Europäischen Union, auf, um Misstrauen, Unmut und
Nationalismus zu schüren und damit Stimmen zu erhaschen. Die
Alternative für Deutschland (AfD), womöglich auch Teile der Linken
sowie rechtsextreme Parteien gefallen sich in der Rolle als
Totengräber der EU. Was sie statt der Union der 28 europäischen
Staaten allerdings anzubieten haben, ist platter Nationalismus von
vorgestern. Die drängenden Fragen der Euro-Schuldenkrise etwa sind
mit der Parole des Ausstiegs aus EU und Währungsunion nicht zu
meistern. Gerade die Krise hat gezeigt, dass die Gemeinschaft der 28
Staaten mehr Europa, eine Vertiefung der politischen Integration –
und nicht weniger Europa, zurück zum Nationalstaat und nationaler
Währung braucht. Nicht nur die Grünen, sondern auch die CDU – die CSU
kann man getrost dazu zählen – wollen dem Koloss EU zudem mehr
Bürgernähe, mehr Transparenz sowie eine kräftige Entbürokratisierung
verordnen. Das sind allesamt richtige Forderungen, doch schon vor
fünf Jahren wurde Ähnliches verlangt. Der Fortschritt in Europa ist
offenbar eine Schnecke. Gleichwohl darf man nicht in den Fehler
verfallen, die wirkliche Schritt-für-Schritt-Entwicklung der EU
kleinzureden. Es gibt schlicht keine andere Institution, die eine
friedliche, gegenseitig vorteilhafte Zusammenarbeit von Staaten auf
dem alten Kontinent voranbringen könnte. Wer an Europa zweifelt,
sollte sich die Soldatenfriedhöfe des vergangenen Jahrhunderts
ansehen, hatte Jean-Claude Juncker gesagt. Der Ex-Premier von
Luxemburg, den die Konservativen Europas zu ihrem Spitzenkandidaten
machen wollen, hat Recht. Es wird viel über die Probleme, die
Unfertigkeit Europas geredet, kaum über die grandiosen
Errungenschaften der europäischen Werte- und Staatengemeinschaft. Auf
dem Maidan-Platz in Kiew demonstrieren Ukrainer trotz klirrender
Kälte dafür, zu genau diesem Europa des Wohlstands und der
Menschenrechte zu gehören. Der kleinliche, wohl auch aus
Wahlkampfgründen von der CSU vom Zaun gebrochene Streit um ein paar
Tausend nach Deutschland eingereiste Bulgaren und Rumänen verblasst
ganz schnell, wenn man sich die Vorzüge der EU-weiten Freizügigkeit
vor Augen führt. Der grüne Europa-Abgeordnete Werner Schulz bekannte,
bis zu seinem Einzug ins EU-Parlament europakritisch eingestellt
gewesen zu sein. Nach fünf Jahren in Brüssel und Straßburg ist aus
ihm ein glühender Befürworter des „sanften Monsters EU“ geworden.
Gewiss existieren zwischen den Befürwortern Europas im Detail
gewichtige politische Differenzen, von der Energie-, der Sozial-, der
Sicherheitspolitik bis zum Datenschutz. Doch allen sollte klar sein,
dass die Europäische Union auf der Weltbühne nur Gehör und Einfluss
findet, wenn sie einig ist.
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