Das Ebola-Virus muss bekämpft werden. Genauso
wie das falsche Afrikabild in der deutschen Öffentlichkeit.
Ein ganzer Kontinent ist von einer Seuche erfasst, das Ebola-Virus
frisst die Kinder Afrikas und es ist nur eine Frage der Zeit, bis der
Tod auch uns erreicht. Diesen Eindruck konnte bekommen, wer in den
vergangenen Wochen die öffentliche Diskussion über die Ebola-Epidemie
verfolgte. Zwar handelt es sich um den folgenschwersten Ausbruch der
Krankheit seit ihrer Entdeckung – doch die umfängliche Ungenauigkeit
mit der er dargestellt wird, hilft nicht, sondern schadet. Reisende
aus Südafrika oder Kenia dürften sich bei Besuchen in Deutschland
gewundert haben, wenn sie mit ihren Sprachbüchlein
Zeitungsüberschriften übersetzt haben, wie „Sterben an Ebola in
Afrika“ oder „Ebola-Epidemie: Afrika zählt 700 Tote“. Nicht, dass
Zeitungen in Johannesburg und Nairobi nicht auch beim Totezählen
mitmachen. Doch im Umkehrschluss müsste die Ukraine-Krise in den
Medien dieser Städte so dargestellt werden: „Separatismus-Krise:
Europa zählt mehr als 3000 Tote“ oder „Sterben an
Maschinengewehr-Kugeln in Europa“. Man stelle sich vor, in einem
Reisebüro in Accra fragt ein junges Paar den Mitarbeiter, ob es
sicher sei, derzeit nach München zu fliegen, es gebe doch diesen
Krieg in Europa … Fünf afrikanische Länder sind nach aktuellem
Stand vom Ebola-Ausbruch betroffen – von 54. Genau genommen
konzentriert sich die Epidemie auf drei Länder am südwestlichen Rand
Westafrikas, deren Fläche zusammen etwa die Norwegens ergibt und von
deren 22 Millionen Einwohnern sich nach offiziellen Angaben bisher
etwa 6000 infizierten. Das ist schlimm. Es handelt sich aber nicht um
eine Bedrohung für den gesamten Kontinent, wie es manche
Medienberichte glauben machen wollen. Es hat seine Gründe, dass
gerade diese Länder Probleme bei der Bewältigung der Krankheit haben.
In den vergangenen Jahren gab es immer wieder Fälle von Ebola. Weder
in der Demokratischen Republik Kongo noch in Uganda nahmen sie ein
solches Ausmaß an. Bildung, Gesundheitswesen, Infrastruktur: Kein
Staat gleicht dem anderen, auch nicht in Afrika. Die Hintergründe
kommen zu kurz, so wie generell die Berichterstattung über Länder
südlich der Sahara. In Burkina Faso formiert sich gerade eine
friedliche Jugendbewegung, die sich für einen demokratischen Wandel
einsetzt und gegen den seit 1987 regierenden Präsidenten Blaise
Compaoré richtet, der an der Verfassung drehen will, um auch nach
2015 an der Macht bleiben zu können. Die Elfenbeinküste imponiert
nach langer Zeit innenpolitischer Instabilität mit positiven
Wirtschaftsnachrichten. Davon hört man hierzulande kaum etwas, denn
die Meldungen betreffen uns scheinbar nicht. Bei der Ebola-Epidemie
wurde diese Betroffenheit mit Überschriften wie „Ebola-Alarm in
Berlin“, oder „Ist Deutschland bereit für das Virus?“ hergestellt.
Doch es gibt noch einen Grund, warum die Ebola-Epidemie so in der
hiesigen Medienwelt eingeschlagen hat: Sie passt ins Bild. ,“Keine
Hungersnot in Afrika– hat keinen besonderen Nachrichtenwert“
betitelte die Journalistin Dirke Köpp bereits 2005 eine Untersuchung
zur Wahrnehmung Afrikas in den deutschen Medien. Krieg, Krankheit,
Katastrophen und Korruption sind die Schlagwörter, mit denen ein
riesiger Kontinent mit knapp einer Milliarde Einwohner assoziiert
wird. Das heißt nicht, dass es falsch ist, über die Ebola-Epidemie zu
berichten oder den betroffenen Ländern bei der Bewältigung der
Krankheit zu helfen. Doch lohnt es sich, genau hinzuschauen und
künftig auch Nachrichten zu beachten, die althergebrachte
Afrikakonstruktionen ins Wanken bringen. Denn Afrika ist nicht der
Katastrophenkontinent – und im Übrigen auch nicht das exotische
Paradies aus ARD-Fernsehfilmen.
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