Freilassing. Bad Aibling. Simbach. Drei Orte,
die in Erinnerung bleiben werden. Als Orte in Bayern, an denen
Menschen in den vergangenen Monaten mit unfassbarem Leid konfrontiert
wurden. Mit geflüchteten Menschen, die alles verloren haben und die
mit nichts als ihrem Leben nach Deutschland kamen. Mit Toten und
Verletzten nach einem der schlimmsten Zugunglücke in der Geschichte
Bayerns. Mit Männern, Frauen und Kindern, denen ein unscheinbarer
Bach in kürzester Zeit alles nahm, was ihnen wichtig war, und in
dessen Fluten Menschen starben. Es sind aber auch Orte, die als
Symbole grenzenloser Hilfsbereitschaft in Erinnerung bleiben werden –
und damit alle Abgesänge auf das Ehrenamt Lügen strafen. 3,6
Millionen Menschen sind in Bayern ehrenamtlich aktiv, das ist mehr
als ein Drittel der Bevölkerung über 14 Jahre. Diese Zahl ist seit
Jahren weitgehend konstant – obwohl gleichzeitig Sportvereine und
Parteien über Nachwuchssorgen klagen. Vor zwei Jahren schrieb sich
die Staatsregierung als Ergebnis des Volksentscheids bei der
Landtagswahl die Förderung des Ehrenamtes sogar als neues Staatsziel
in die Bayerischen Verfassung: „Staat und Gemeinden fördern den
ehrenamtlichen Einsatz für das Gemeinwohl“, heißt es seit dem 1.
Januar 2014 in Artikel 121. Der Satz ergänzt die bisherigen
Bestimmungen in Artikel 121 und 122, die alle Bewohner Bayerns zur
Übernahme von Ehrenämtern und zur gegenseitigen Hilfe im Unglücks-
und Katastrophenfall verpflichten. Vielleicht bräuchte es angesichts
der weitgehend gleichbleibenden Zahlen diese gesetzgeberischen
Vorgaben nicht. Sie sind dennoch ein Signal: Die gegenseitige
Achtung, Rücksichtnahme und Hilfsbereitschaft sind Grundlagen
würdigen menschlichen Zusammenlebens. Der Staat fördert sie, macht
sie zur Bedingung – und die Menschen füllen sie mit Leben. Dass das
Ehrenamt in Bayern eine Tradition bis ins 19. Jahrhundert hat, mag
dabei eine Rolle spielen. Eine Vielzahl von Vereinen wurde gegründet,
darunter Turn-, Gesangs- und Schützenvereine. Mit der Gründung der
Elisabeth- und Vinzenzvereine ab 1841 bzw. 1845 als Vorläufer des
Katholischen Caritasverbandes, den ersten Zügen des Roten Kreuzes und
mit dem Aufkommen der Freiwilligen Feuerwehren ebenfalls Mitte des
19. Jahrhunderts begannen sich die Bürger auch in sozialen und
sicherheitsrelevanten Bereichen zu organisieren, mit den
Arbeitervereinen begann die Zeit der politischen Organisationen. Das
Engagement der Einzelnen füllte hier jene Lücken, die der Staat nicht
zu schließen vermochte, und wurde in unterschiedlichsten Ausprägungen
immer wieder zum Motor des gesellschaftlichen Wandels. Heute hat
allein das Bayerische Rote Kreuz rund 120 000 ehrenamtliche
Mitarbeiter, und diese Zahl ist hat sich in den vergangenen Jahren
kaum geändert. Allein im niederbayerischen Katastrophengebiet halfen
in den vergangenen Tagen rund 500 Einsatzkräfte des BRK, darunter
zahlreiche Ehrenamtler. Hunderte Helfer waren in kürzester Zeit am
Unglücksort in Bad Aibling zur Stelle, tausende halfen im vergangen
Herbst bei der Versorgung der ankommenden Flüchtlinge. Diese
Bereitschaft, anderen zu helfen, ist nicht selbstverständlich, zumal
nicht in Zeiten, wo veränderte Arbeitswelten Menschen weniger
Freiraum lassen. Sie ist ein Zeichen dafür, dass trotz zunehmender
Individualisierungstendenzen, trotz Ellenbogenmentalität ein Kern von
Mitmenschlichkeit den Wandel unserer Gesellschaft überlebt hat. Das
Ehrenamt kann nicht genug gelobt, gewürdigt und gefördert werden. Und
das nicht nur beim Blick in die schlammverschmierten Straßen
Simbachs.
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