Mittelbayerische Zeitung: „Mittelbayerische Zeitung“ (Regensburg) zu Berlusconi

von Christian Kucznierz, MZ

Wäre Italien ein normales Land, wäre alles ganz einfach. Wann,
wenn nicht jetzt wäre die beste Zeit, sich Berlusconis zu entledigen?
Aber Italien ist kein normales Land mehr, seit er die politische
Bühne betreten hat und sich für das Land unersetzbar gemacht hat –
oder, anders: das Land zu seinem Eigentum gemacht hat. Die Liste der
Verfahren, die Berlusconi schon überstanden hat, ist lang, und die
Vorwürfe sind gewaltig: Steuerhinterziehung, Korruption,
Mafiaverstrickungen, Sex mit Minderjährigen. Alleine schon die
Verdächtigungen sind so unerhört, dass sie hierzulande (oder in einem
anderen Staat, der nicht Italien ist) längst dazu geführt hätten,
dass ein Politiker vom Schlage Berlusconis aufgrund des öffentlichen
Drucks gehen hätte müssen. Man denke nur an die Politiker, die in
Deutschland wegen Plagiaten in Doktorarbeiten zurücktreten mussten
oder daran, dass derzeit über den Rücktritt des
Verteidigungsministers diskutiert wird, weil er Steuergelder
verschwendet hat. Das alles sind schwere Vorwürfe; aber sie sind
nicht mit den verbrecherischen Ambitionen zu vergleichen, die
Berlusconi vorgeworfen und jetzt in einem Fall sogar in höchster
Instanz bestätigt wurden. Allerdings schafft es Berlusconi immer
noch, Wähler zu finden. Knapp zehn Millionen waren es zuletzt im
Februar. Und noch immer sorgen die Vorwürfe gegen ihn für ein
leichtes Grinsen. Steuerhinterziehung? Klar, warum nicht, machen ja
alle irgendwie. Sexaffären? Pikant, aber er ist eben ein alter
Schwerenöter. So oder ähnlich denken viele über den
Ex-Regierungschef, und das nicht nur jenseits der Alpen. Und warum?
Weil Berlusconi immer davonkam. Und warum kam er immer davon? Weil
ohne ihn nichts geht. Das sieht man auch jetzt daran, dass sich die
Debatte darum dreht, ob seine Verurteilung die Regierung Italiens zu
Fall bringen könnte. Eins ist dabei so gut wie sicher: Am Ende ist
Berlusconi wieder dabei. In welcher Form auch immer.

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