von Christine Straßer, MZ
Martin Luther Kings Worte sind Geschichte geworden. „I have a
dream“. 50 Jahre später haben die Amerikaner mit Barack Obama ihren
ersten schwarzen Präsidenten im Amt bestätigt. Die Rassentrennung ist
laut Gesetz abgeschafft. Rassismus in Amerika gehöre der
Vergangenheit an, befand der Oberste Gerichtshof im Juni dieses
Jahres und hebelte einen Kernpunkt des Wahlrechtsgesetzes von 1965
aus, der vor allem in den Südstaaten geholfen hatte, Schwarze
gleichzustellen. Die Begründung: „Offene“ Diskriminierung sei nur
noch „selten“. Stimmt das? Im Vergleich zu den blutigen 1950er und
1960er Jahren hat sich die Situation verbessert. Das ist richtig.
Doch als Gesellschaft haben die USA die Rassenfrage keineswegs
gelöst. Die Diskriminierung ist allgegenwärtig. Sie passiert jeden
Tag, wenn auch weniger „offen“, wie der Oberste Gerichtshof es
darstellte, sondern eher unterschwellig. Für den ganz alltäglichen
Rassismus gibt es viele Beispiele. Nach dem Freispruch im Mordprozess
gegen George Zimmerman, der 2012 den schwarzen Teenager Trayvon
Martin erschossen hat, entzündete sich eine Rassismus-Debatte, in die
sich auch Präsident Obama einschaltete. „Es gibt wenige
afroamerikanische Männer in diesem Land, die nicht die Erfahrung
gemacht haben, dass man sie beim Shopping im Kaufhaus beobachtet.
Mich eingeschlossen“, sagte Obama in einer spontanen Ansprache. Auch
er habe das Klicken von Autoschlössern gehört, wenn er über die
Straße ging. Im Prozess hatte Zimmerman seine Tat so gerechtfertigt:
Martin sei ihm in seiner geschlossenen Wohnanlage verdächtig
vorgekommen. Klartext: Schwarze gehören da nicht hin. Wenige Wochen
vor Prozessbeginn stellte der Hersteller der Frühstücksflocken
Cheerios bei einem Werbefilm auf YouTube die Kommentarfunktion ab.
Dort hatte es rassistische Bemerkungen gehagelt. Im Spot wurde eine
Familie mit einer weißen Mutter und einem schwarzen Vater gezeigt.
Kurze Zeit später gab die bekannte Fernsehköchin Paula Deen
öffentlich zu, regelmäßig das Unwort „Nigger“ zu benutzen. In der
US-Gesellschaft klafft eine Lücke der Ungleichheit. 88 Prozent der
Schwarzen sehen eine Diskriminierung von Afroamerikanern, 46 Prozent
von ihnen sogar „eine Menge“ davon. Das ist das Ergebnis einer Studie
des Meinungsforschungsinstituts Pew Research Center. Zum Vergleich:
Nur 57 Prozent der Weißen beobachten eine Ungleichbehandlung. Am
frappierendsten ist die Ungleichheit im Bereich Kriminalität. Die
Gefahr für Schwarze, hinter Gitter zu kommen, liegt bei 1:15, für
Weiße nur bei 1:106. Extrem sind auch die Unterschiede bei der
Einkommens- und Vermögensverteilung. Das durchschnittliche
Haushaltseinkommen von Schwarzen liegt laut Pew Reserach Center bei
39 400 und das von Hispanos bei 44 000 Dollar. Weiße Amerikaner
kommen mit 67 700 Dollar auf deutlich mehr Geld. Ihr Vermögen ist mit
knapp 90 000 Dollar pro Haushalt rund zwölfmal so hoch wie das der
beiden Minderheiten. Viele Randgruppen leben in Wohngegenden, in
denen die Schulen schlechter und gute Arbeitsplätze rar sind. Die
Arbeitslosigkeit unter Afroamerikanern ist heute sogar größer als
1963. Damals lag die Quote bei zehn Prozent, heute sind es 12,6
Prozent. Bei der weißen Bevölkerung sind derzeit 6,6 Prozent ohne
Job. Rassismus wird, auch im modernen Amerika, so schnell nicht der
Vergangenheit angehören. Das heißt aber nicht, dass Martin Luther
Kings Traum ausgeträumt ist. Der Bürgerrechtler Jesse Jackson
empfiehlt allen Frustrierten, sich an Kings Worte zu halten, der in
seiner Rede vom Beginn eines langen Weges sprach. „Wir müssen
weitermarschieren“, sagt Jackson.
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