Mittelbayerische Zeitung: Mittelbayerische Zeitung (Regensburg) zum „NSU-Prozess“

Verspieltes Vertrauen

von Christian Kucznierz, MZ

Es ist ein ehrenwertes Angebot, dass Vertreter der Landtagspresse
nun gemacht haben: Sie wollen drei der für sie reservierten Plätze
für türkische Kollegen frei halten. Es ist aber für das
Oberlandesgericht München ein Armutszeugnis, dass ein solcher Schritt
nötig ist. Denn bis vor kurzem noch wäre es ein leichtes für die
Münchner Justiz gewesen, den Makel, der dem NSU-Prozess für alle
Zeiten anhaften wird, abzuwenden. Dort aber scheint man sich der
Dimension des Verfahrens nicht bewusst gewesen zu sein. Anders lässt
sich die ursprüngliche Entscheidung für das Vergabeverfahren für die
Presseplätze nicht erklären. Auch später, als es erste Proteste gab,
hätte man in München noch reagieren können. Jetzt, da der Streit die
Regierungsebene in Berlin und Ankara erreicht hat, ist es zu spät.
Der Protest der türkischen Regierung war verständlich; er ist aber
auch kontraproduktiv: Jetzt das Verfahren zu ändern, wäre in der Tat
das, was das Gericht eigentlich und richtiger Weise verhindern
wollte: politische Einflussnahme auf die Justiz. An der Tatsache
aber, dass der NSU-Prozess nun immer mit dem Streit um die
Berichterstattung verbunden sein wird, trägt alleine das Münchner
Oberlandesgericht die Verantwortung. Der Prozess, der doch eigentlich
dazu dienen könnte, das verlorengegangene Vertrauen in die Behörden
wiederherzustellen, droht nun genau dieses Misstrauen nur noch weiter
zu verstärken.

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