Hochschul-Kompromiss mit kleinem Zitterfaktor
von Christine Schröpf
Das Wichtigste ist: Die Studiengebühren sind in Bayern zum
Wintersemester auf jeden Fall Geschichte. Bildung ist das größte
Kapital jeder Gesellschaft, studieren darf nicht am Geldbeutel
scheitern. Die Campus-Maut aber hat das trotz sozialer Abfederungen
bewirkt. Wer weiß, wie viele Menschen mit knappem Finanzbudget von
vornherein zurückgeschreckt sind und erst gar nicht ausgelotet haben,
welche Hilfen es für sie gegeben hätte? Nun wird die Abgabe auf
kurzem Weg durch den Landtag abgeschafft, so wie es das Gesetz ganz
regulär vorsieht. Die „Langstrecke“ über den Volksentscheid hätte
kein anderes Resultat gebracht. Das Ergebnis passt. Da bleibt es fürs
Erste zweitrangig, warum die schwarz-gelbe Staatsregierung sich nicht
schon vor Wochen darauf einigen konnte und weshalb nun – trotz all
der verstrichenen Zeit – eine wichtige Frage im Kompromisspapier
ungeklärt ist: Nach welchem Schlüssel soll ein Teil der
Mehrbelastungen für den Staatshaushalt durch Sparbemühungen in den
Ministerien aufgefangen werden? Nach dem Rasenmäherprinzip? Oder
bleiben Ressorts wie Bildung, Kultus und Soziales ausgespart, wie es
die FDP im Vorfeld favorisierte? In der Gesamtschau ist das
Bildungsfinanzierungsgesetz aber gut geschnürt: Wer Studiengebühren
streicht, muss folgerichtig Meister und Altenpflegeschüler entlasten.
Dauerhafte finanziellen Folgelasten können durch beherzteres Schulden
tilgen zumindest teilweise kompensiert werden. So schrumpfen –
ebenfalls dauerhaft – die hohen Zinsbelastungen des Freistaats.
Begrüßenswert auch, dass die Studierenden auch nach Abschaffung der
Campus-Maut weiter bei der Mittelvergabe an den Hochschulen mitreden
dürfen. Koalitionsintern ist ebenfalls Druck aus dem Kessel genommen,
weil die Abstimmung über Studiengebühren im Landtag freigegeben wird.
Gegner und Befürworter, die es sowohl in der CSU wie in der FDP gibt,
können nun nach ihrem Gewissen abstimmen. Umfallen muss niemand. Die
schwarz-gelbe Einigung gilt allerdings nur unter Vorbehalt. Beim
FDP-Landesparteitag am kommenden Wochenende könnte die liberale Basis
das schöne Konstrukt zum Einsturz bringen – trotz der im Kompromiss
eingebauten Besänftigungspillen, wie dem zusätzlichen Geld für die
frühkindliche Bildung. Angebote gerade für die Kleinsten zählen zu
den liberalen Kernforderungen. Doch wenn auch das bei den Delegierten
nicht verfängt, ist die Regierungskrise perfekt. Darauf spekuliert
die Opposition. Neues Zerwürfnis zwischen Schwarz-Gelb oder gar
vorgezogene Neuwahlen? SPD, Freie Wähler und Grüne, in Umfragen weit
von einem Machtwechsel entfernt, rechnen sich so größere Chancen aus.
Aus diesem Grund wurde am Wochenende gestichelt und gespottet – und
die FDP als Umfallerpartei geschmäht. Eine etwas bizarre
Argumentation, bedeutet sie doch im Umkehrschluss: Das
Oppositionslager, parteiübergreifend gegen die Studentenabgabe,
müsste die Liberalen loben, wenn sie das Ende bis zum Sommersemester
2014 hinauszögern. Die Opposition sollte lieber auf das
Erinnerungsvermögen und den Verstand der Bürger vertrauen. Die Wähler
wissen genau: Schwarz-Gelb würde die Studiengebühren in dieser
Legislaturperiode nicht abschaffen, wenn die Freien Wähler vor dem
Bayerischen Verfassungsgerichtshof nicht das Volksbegehren erstritten
hätten. Und so spaßig es sein mag, CSU und FDP wegen ihrer
Wendemanöver zu triezen: Am Wahltag im Herbst geht es längst nicht
mehr um das „Wer hat–s erfunden?“. Dann steht und fällt Schwarz-Gelb
mit der Glaubwürdigkeit beim Umlenken – also mit dem Urteil darüber,
ob das Richtige aus guten Gründen oder purer Wahltaktik entschieden
worden ist. Die Opposition aber punktet am klügsten mit einem
besseren Bildungskonzept.
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