Von Stefan Stark
Es ist ein Problem, das mit langer Ansage kam: Der
Wohnungsnotstand in vielen deutschen Metropolen – vor allem der
Mangel an halbwegs erschwinglichen Mietwohnungen. Seit vielen Jahren
herrscht ein regelrechter Ansturm vor allem auf begehrte
Universitätsstädte. Nicht nur Studenten drängen scharenweise dorthin.
Auch Arbeitssuchende probieren zunehmend ihr Glück in den Boom-Towns.
Außerdem kehren Tausende Bundesbürger, die vor 30 oder 40 Jahren aufs
Land zogen, heute in die Städte zurück, weil sie das mit viel Arbeit
verbundene Eigenheim gegen eine schicke kleine Wohnung in der City
tauschen. Dazu kommt ein wachsender Strom an Zuwanderern, für die
etwa der Großraum München mit seiner geringen Arbeitslosigkeit so
etwas wie das gelobte Land darstellt. Viele dieser Entwicklungen
haben Fachleute bereits vor Jahren prognostiziert – ebenso die
drohende Verknappung auf dem Wohnungsmarkt. Jetzt plötzlich, im Jahr
der Bundestagswahl, wachen die Politiker in Berlin auf. Vorher
reichten die Regierungen – egal in welchen farblichen Konstellationen
– den Schwarzen Peter an Länder und Kommunen weiter, strichen Anreize
für den Wohnungsbau wie die Eigenheimzulage, sahen tatenlos zu, wie
bankrotte Städte Hunderttausende kommunale Wohnungen an Investoren
verscherbelten. Vielleicht ließ sich die Politik einlullen von
Vorhersagen, dass sich das Problem langfristig mit einer
schrumpfenden Bevölkerung von selbst löst. Doch die Realität sieht
komplizierter aus. Während manche unattraktive Kommunen mit der
Abrissbirne leerstehende Viertel plattmachen, müssten die Boom-Städte
mit chinesischer Geschwindigkeit Wohnblöcke hochziehen, um mit der
Nachfrage Schritt zu halten. Grundsätzlich ist es begrüßenswert, wenn
nun auch die Bundespolitik dieses Thema nicht länger stiefmütterlich
behandeln will. Doch mit einer gesetzlichen Mieterhöhungs-Bremse, die
sowohl die schwarz-gelbe Koalition als auch SPD-Kanzlerkandidat Peer
Steinbrück im Sinn haben, wird es nicht getan sein. Sicher lassen
sich dadurch tatsächlich Auswüchse auf dem Wohnungsmarkt und einzelne
Fälle von Mietwucher eindämmen. Doch mit Preisgrenzen kann man nicht
die Gesetze der freien Marktwirtschaft aufheben. Ein knappes Gut
vermehrt sich nicht, weil der Staat Kostengrenzen vorgibt. Das gilt
für Brot genauso wie für Mietshäuser. Die Wohnung ist ein besonders
hohes Gut. Wer keine Wohnung hat, bekommt keine Arbeit und umgekehrt.
Heute entscheidet die Lage der Wohnung mit darüber, ob man einen
Kredit bekommt – oder nicht. Und mehr noch: Die Adresse kann auch
über kulturelle und gesellschaftliche Teilhabe mitbestimmen – je
nachdem, ob man im angesagten Trend-Viertel oder in einem sozialen
Brennpunkt lebt. Doch auch für die Kommunen ist die Frage, genügend
bezahlbaren Wohnraum zu haben, immer mehr von Bedeutung. Seit
längerem klagen Arbeitgeber in begehrten Städten wie München, dass
sich auf bestimmte freie Stellen kaum noch Bewerber melden – weil die
Bezahlung, die in diesen Jobs üblich ist, nicht für eine eigene
Wohnung reicht. Betroffen sind davon längst nicht mehr nur
geringqualifizierte Tätigkeiten, sondern auch Berufsanfänger quer
durch alle Branchen. So wird aus der Frage nach erschwinglichen
Mieten schnell ein wichtiger Standortfaktor. Die Politik ist in der
Pflicht. Sie darf nicht zulassen, dass die Wohnungsnot noch schlimmer
wird. Sie muss der Wohnungspolitik wieder den hohen Stellenwert
einräumen, den sie bis in die 80er Jahre hinein hatte. Sie muss den
sozialen Wohnungsbau mit entsprechenden Mitteln ausstatten. Sie muss
klamme Kommunen so unterstützen, dass sie wieder handlungsfähig
werden – und nicht weiter ihr Immobilien-Tafelsilber verkaufen
müssen. Sonst könnte sich bald eine neue Hausbesetzer-Szene
etablieren, die sich in den zahlreichen leerstehenden Bürobauten eine
neue Heimat sucht.
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