Nichts scheint mehr zu passen: Die in
Schwarzach bei Würzburg beheimatete Edelmarke René Lezard trudelt.
Letzte Hoffnung ist der Einstieg eines türkischen Textilmoguls, der
sich auch schon die Starnberger Marke More & More einverleibt hat.
Gerry Weber plant Filialschließungen und Entlassungen. Auch der
Online-Händler Zalando schreit längst nicht mehr vor Glück. Man muss
kein Wirtschafts-Fachmann sein, um die Gründe zu erahnen. Genervter
Kunde zu sein, reicht. Für das mittlere Preissegment ist es im
deutschen Handel eng geworden. Primark, H&M, Zara und wie sie alle
heißen, haben aus dem Kleidungskauf ein Grabbeltisch-Modell gemacht.
Schick präsentiert wird Mode in edleren Shops, überall sonst dürfen
die Kunden sich selbst durch Kleiderberge wühlen und Klamotten aus
Regalen zerren. An einem belebten Samstagnachmittag sieht es in den
Geschäften aus wie bei Hempels unterm Sofa. Qualitatives Shopping
stellt man sich anders vor. Und wenn die Kunden am Ende einen Sack
Kleidung aus dem Laden schleppen, für den sie insgesamt 25 Euro
gezahlt haben, ist völlig klar, dass Albert Einstein recht hatte: Was
nichts kostet, ist nichts wert. Natürlich: Der Markt macht nur das,
wofür ihn der Kunde belohnt. Jahrelang konnte es beim Einkaufen gar
nicht billig genug sein, nicht bei Lebensmitteln, nicht bei
Elektronik, nicht bei dem, was wir tagtäglich am Leib tragen. Das
Konsumverhalten in den westlichen Industrienationen erzeugt
Handelsbedingungen, die für Schlagzeilen sorgen. Doch weder
einstürzende Textilfabriken in Bangladesch noch mahnende Hinweise auf
Fluchtursachen bringen die Deutschen dazu, massenhaft auf
Fair-Trade-Siegel und Eine-Welt-Waren umzusteigen. Die kann sich
übrigens auch gar nicht jeder leisten. Allerdings geht selbst
Billigramsch nicht mehr so flink über die Ladentheke wie ehedem. Der
gefährlichste Konkurrent ist jedoch nicht der Billigheimer nebenan,
sondern das Internet. Unternehmen wie H & M haben das rechtzeitig
erkannt und eigene Vertriebsstrukturen aufgebaut. Die Schweden haben
selbst im witterungsbedingt schlechten Verkaufsjahr 2018 noch zulegen
können. Wer diesen Trend verschlafen und unverdrossen weiterhin
vorwiegend auf den stationären Handel gesetzt hat, ist jetzt
erschreckt aufgewacht. Gerry Weber zum Beispiel. Zu ändern ist es
nicht, dass immer mehr Menschen ihre Kleidung im Internet bestellen.
Bedauern kann man es schon. Die ohnehin schon monothematischen
Einkaufsmeilen in den Städten werden weiter an Vielfalt verlieren.
Ein-Euro-Läden, Burger-Restaurants und viele andere Fressbuden,
daneben zwei bis drei Edelboutiquen: So einfältig werden alle
Innenstädte in ein paar Jahren strukturiert sein. Dazwischen
versperren uns all die Paketboten, die den online bestellten Kram zur
Haustür bringen müssen, den Weg. Wer das nicht will, sollte sein
Click&Buy-Kaufverhalten zügig überdenken. Städte sollten zudem
überlegen, ob sie nicht statt des Parkens besser den Lieferverkehr
mit Gebühren belegen. Online-Shopping beschleunigt einen fatalen
Teufelskreis: Die Deutschen sind Rekordmeister der Retouren. Im
Schnitt wird jedes fünfte Teil zurückgeschickt, nach Weihnachten
klettert die Rate sogar auf 50 Prozent. Viele dieser Artikel werden
vernichtet oder in Billigläden verscherbelt – weil das Sichten und
Neuverpacken sich gar nicht mehr lohnen. So werden noch mehr Waren in
den endlosen Strom von Schnäppchen und Plunder geschleust, der
vielleicht im Moment des Kaufs noch glücklich macht, am Ende aber ein
schales Gefühl hinterlässt. Ein Gutes hat die Beschleunigung in der
Modebranche: Aufheben lohnt sich wieder. Wenn die Kollektionen im
Zwei-Monats-Rhythmus wechseln, ist die alte Klamotte von gestern
wahrscheinlich schon übermorgen wieder der letzte Schrei und absolut
tragbar. Wenn sie dann noch passt, versteht sich.
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