Mittelbayerische Zeitung: Oberpfälzer Ärztin wirft der AOK Bestechung vor / Krankenkasse weist die Vorwürfe als „völlig absurd“ zurück. Ärztechef reicht Rücktritt ein.

Nürnberg/Neumarkt/Regensburg. Vor dem
Hintergrund des gescheiterten Ausstiegs der bayerischen Hausärzte aus
dem Kassensystem hat die Bezirksvorsitzende des Bayerischen
Hausärzteverbandes, Dr. Marie-Luise Vogel aus Neumarkt, schwere
Vorwürfe gegen die AOK Bayern erhoben. In einem Interview mit unserer
Zeitung sagte sie am Donnerstag, sie habe Beweise dafür, dass „die
AOK Mitglieder des nordoberfränkischen Ärztenetzes vor der Abstimmung
in Nürnberg bestochen“ beziehungsweise dies zumindest versucht habe.
Die AOK Bayern wies die Anschuldigungen als „völlig absurd“ zurück.
140 Euro pro Quartal und Patient? Nach Angaben von Vogel habe die AOK
Hausärzten in Oberfranken 140 Euro pro Quartal und Patient
versprochen, wenn sie gegen den Vorschlag des Hausärzteverbandes
stimmten und damit im Kassensystem blieben. Normalerweise dürften die
Mediziner pro Quartal und Patient maximal 76 Euro abrechnen, so Dr.
Vogel. Ob auch Ärzte in Oberbayern und der Oberpfalz korrumpiert
worden seien, konnte die Verbandsvertreterin nicht mit letzter
Sicherheit sagen. „Ich nehme das aber an“, sagte sie. Der
Pressesprecher der AOK Bayern, Michael Leonhart, reagierte am Telefon
amüsiert auf die Vorwürfe. „Die AOK besticht grundsätzlich keine
Ärzte“, sagte er. Das sei nicht die Art der Krankenkasse, die
Hausarzt-zentrierte Versorgung so zu fördern. Leonhart attackierte
seinerseits den Chef des Hausärzteverbandes, Dr. Wolfgang
Hoppenthaller aus Siegenburg (Lkr. Kelheim). Dieser habe versucht,
über die Abstimmung am Mittwochabend in Nürnberg einen
Versorgungsnotstand herbeizuführen und auf dieser Basis neue Verträge
herbeizuführen, obwohl die bayerischen Hausärzte schon jetzt deutlich
über dem Bundesdurchschnitt verdienten. Glücklicherweise hätten sich
die Mediziner aber „für den vernünftigen Weg“ entschieden. „Heftige
Drohungen der Kassen“ Hoppenthaller selbst ist nach dem gescheiterten
Aufstand gegen das Kassensystem am Donnerstagnachmittag von seinem
Amt zurückgetreten. Er wolle künftigen Verhandlungen mit der
CSU/FDP-Staatsregierung und den Krankenkassen nicht im Wege stehen,
sagte er. „Die heftigen Drohungen seitens der Kassen und der
Bayerischen Staatsregierung haben viele Kollegen davon abgehalten,
diesen entscheidenden Schritt aus dem Kollektivvertragssystem heraus
mitzugehen“, schrieb Hoppenthaller in einer persönlichen Erklärung.
Bayerns Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) begrüßte
Hoppenthallers Rückzug, den er bereits am Mittag zu diesem Schritt
aufgefordert hatte. Bayern will gemeinsam mit der Bundesregierung
offenbar ähnliche Rebellionen in der Ärzteschaft künftig verhindern.
„Wir wollen die Selbstverwaltung der Ärzte reformieren“, sagte Söder.
Darin sei er sich mit Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP)
einig. Aufsicht und Eingriffsmöglichkeiten durch die Behörden müssten
gestärkt werden. „Wir nehmen niemanden an die Kandare, aber wir
achten auf das Recht“, sagte Söder. Einzelheiten nannte er in diesem
Zusammenhang nicht.

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