Ist es eigentlich bereits eine patriotische
Tat, wenn ein syrischer Flüchtling, wie jetzt in Leipzig geschehen,
einen mutmaßlichen Terroristen und Landsmann der Polizei ausliefert?
Noch dazu hatte er den islamistischen Bombenbauer bereits gefesselt,
so dass die deutschen Sicherheitskräfte in der Nacht zum Montag
relativ leichtes Spiel hatten. Man weiß bislang nur wenig über den
genauen Hergang der Ergreifung des Jaber al-Bakr. Doch nach allem,
was bisher festzustehen scheint, hat sich sein Landsmann in Leipzig
um die Sicherheit in Deutschland verdient gemacht. Ein Flüchtling ist
zum Patrioten in dem Land geworden, in dem er Zuflucht gesucht hat.
Das verdient Respekt und Anerkennung. Freilich haben die Ereignisse
um einen möglicherweise verhinderten Sprengstoffanschlag in Sachsen
auch noch einmal deutlich vor Augen geführt, dass Deutschland im
Visier islamistischer Terroristen bleibt. Völlige Sicherheit, dass
der Bombenbauer aus Chemnitz keine Nachahmer findet, gibt es nicht.
Es waren bislang häufig Zufälle, Tipps von ausländischen
Geheimdiensten sowie akribische Puzzlearbeit deutscher Dienste und
Polizeien, dass es hierzulande keine schlimmeren Anschläge gab. Der
Staat hat sich in dieser Hinsicht als handlungsfähig erwiesen. Man
muss wohl auch sagen, er ist dabei, jene Sicherheitslücken zu
schließen, die vor allem im vergangenen Herbst bei der weithin
unkontrollierten Einreise von Flüchtlingen aufgemacht worden waren.
Doch wie der Fall des Syrers aus Chemnitz zeigt, ist natürlich auch
eine ordnungsgemäße Registrierung sowie ein ebensolches Asylverfahren
keine Garantie für Wohlverhalten. Sicherheitsbehörden und die gesamte
Gesellschaft, Ausländerbehörden, Flüchtlingsorganisationen, Kirchen,
muslimische Verbände, Schulen, Sportvereine, Nachbarn müssen weiter
auf der Hut sein. Die Augen offen zu halten, ist allerdings etwas
anderes, als Flüchtlinge unter generellen Terrorverdacht zu stellen
oder auszuspionieren. Dass Rechtspopulisten und Rechtsradikale
Chemnitz zum Anlass für Stimmungsmache gegen Flüchtlinge, gegen
Ausländer ganz allgemein machen werden, ist womöglich ein
Kollateralschaden dieses Falles. Nur muss man auf deren plumpe
Parolen ja nicht hereinfallen. Aber natürlich wirft der Fall in
Sachsen auch eine Reihe von politischen Fragen auf. Sind die
Ermittlungs- und Eingriffsmöglichkeiten von Diensten und Polizeien
effektiv genug, um den raffiniert und professionell agierenden
Terroristen auf die Schliche zu kommen? Und zwar möglichst, bevor sie
zuschlagen konnten. Bei der Erhebung und Speicherung von
Telekommunikationsdaten gibt es noch einige Regelungslücken. Doch die
Koalition kann sich leider nicht darauf einigen, sie zu schließen.
Ebenfalls muss gefragt werden, warum die Strafbarkeit von
Sympathiewerbung für Terrorvereinigungen immer noch nicht gesetzlich
geregelt ist. Und zwar nicht nur für den IS, der besonders brutal
vorgeht, sondern auch für scheinbar harmlos daherkommende
Vereinigungen. Licht muss zudem nicht nur in die
Kommunikationsströme, sondern auch in das Dunkel der Finanzierung der
Terroristen gebracht werden. Ohne Geld, auch aus Europa, auch aus
Deutschland, wären die Mörderbanden des IS kaum so handlungsfähig.
Ungelöst ist zudem das Problem der sogenannten „Gefährder“, also
einiger Hundert ehemaliger Terroristen, die nach Deutschland
zurückgekehrt sind. Viele mögen desillusioniert sein, mögen dem
Terror abgeschworen haben. Doch was ist mit den anderen? So oder so
benötigt der wehrhafte Staat ausreichend Polizei und ausreichende
Mittel, um der Terrorgefahr die Stirn bieten zu können.
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