Mittelbayerische Zeitung: Reiner Aktionismus

Von Maria Gruber

Bundesgesundheitsminister zu sein, ist wahrlich kein leichter Job.
Da sind die großen Lobbys – die Pharmaindustrie, die Ärzteschaft, die
Krankenkassen – die permanent versuchen, die Politik zu ihren Gunsten
zu beeinflussen. Und da ist das marode Gesundheitssystem, das unter
der Last der Demografie droht, zusammenzubrechen. Nicht gerade
optimale Voraussetzungen, um Visionen zu realisieren. Wenn denn da
welche wären. Offenbar hat die schwarz-gelbe Regierung und allen
voran die FDP längst jeglichen Gestaltungswillen verloren. Sie
verordnet Placebos, die dazu führen, dass sich der
Bundesgesundheitsminister und die Koalition für kurze Zeit ob des
Aktivwerdens ein wenig besser fühlen, allerdings nicht die Probleme
im Gesundheitssystem lösen. Leidtragende sind die Patienten – die
Gruppe innerhalb des Gesundheitssystems, die der Macht der Lobbys
mehr oder weniger hilflos gegenübersteht. Aktuelles Beispiel ist der
Entwurf für das Patientenrechtegesetz, das sich wie eine Aufzählung
von Selbstverständlichkeiten liest oder zumindest dessen, was längst
selbstverständlich sein sollte – etwa, dass Patienten verständlich
und umfassend über Untersuchungen, Diagnosen und Therapien informiert
werden sollen. Tatsache ist, dass das neue Gesetz nicht recht viel
mehr macht als bestehende Bestimmungen aus dem Bürgerlichen
Gesetzbuch, dem Sozialgesetzbuch und dem
Krankenhausfinanzierungsgesetz sowie Rechtsprechung in ein Gesetz zu
gießen. Natürlich macht es das für Anwälte, Richter und
Staatsanwälte, aber auch für den Otto-Normal-Verbraucher einfacher,
sich einen Überblick über die Rechtslage zu verschaffen. De facto
verbessert das jedoch die Situation der Patienten nicht. Es wird, wie
das Experten und auch der Patientenbeauftragte der Bundesregierung,
Wolfgang Zöller (CSU) empfehlen, auch kein Entschädigungsfonds
eingerichtet für besonders schwer geschädigte Opfer von
Behandlungsfehlern. Daraus könnten Schadenersatzforderungen oder
Anwaltskosten bezahlt werden. Auch für die Ärzte würde es eine
erhebliche Erleichterung darstellen, wenn nicht eine riesige
Kostenwelle auf sie bzw. ihre Haftpflichtversicherung zukäme, sobald
sie einen Fehler zugeben. Auch ein anderer sinnvoller Vorschlag
Zöllers wird im aktuellen Entwurf für das Patientenrechtegesetz
ignoriert: Die Einsetzung von auf Medizinrecht spezialisierten
Kammern. Damit würde zum einen die Fachkompetenz und somit die
Sensibilität für die Problematik erhöht sowie gleichzeitig die Dauer
der sich oft über Jahre hinziehenden Prozesse verkürzt werden. Im
Norden der Republik erfüllen sogenannte
Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften diesen Zweck bereits. Abgesehen
davon, dass es die Justizministerin Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger und ihr FDP-Kollege Daniel Bahr
versäumen, mit ihrem Entwurf für ein Patientenrechtegesetz einen oder
mehrere Schritte über die bestehende Rechtslage hinauszugehen,
ignoriert die Bundesregierung zudem die grundsätzlichen Probleme, die
das Gesundheitssystem plagen. Denn nur, weil es bald ein
Patientenrechtegesetz gibt, wird der Arzt auch nicht länger Zeit
haben, den Patienten zu beraten. Solange es keine umfassende
Finanzreform im Gesundheitswesen gibt, wird der Arzt weiterhin mit
einem Zeit- und Kostendruck zu kämpfen haben. Ein Ansatz kann die
Bürgerversicherung sein, in die alle einzahlen – auch diejenigen, die
bis dato Kunde bei einer privaten Kasse sind. Dafür müsste die FDP
zwar mit der eigenen Klientel brechen – dafür würde ihr das einen
echten Achtungserfolg einbringen.

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