Mittelbayerische Zeitung: Schattenüber dem Gipfel

Von Reinhard Zweigler

Dass die Staats- und Regierungschefs der führenden
Wirtschaftsnationen plus der Europäischen Union regelmäßig zusammen
kommen, um über die wichtigsten Probleme der eng vernetzten und
abhängigen Weltwirtschaft zu reden, ist schon ein Wert an sich.
Dieses Format bewährt sich besonders, wenn, wie jetzt, düstere Wolken
am Konjunkturhimmel aufziehen. Mit den Vereinbarungen für mehr
Wachstum, strengeren Regeln für die Finanzmärkte und gegen
Steueroasen sowie zu wirklichen Klimaschutzvereinbarungen haben die
G20-Mitglieder in Brisbane erstaunliche substantielle Fortschritte
erzielt. Schade nur, dass der Gipfel durch Putins unnachgiebige
Ukraine-Politik überschattet wurde. Trotzdem, oder nun gerade,
bleiben die Gesprächs- und Verhandlungsfäden zum Kreml geknüpft. Es
gibt auch keine vernünftige Alternative dazu. Aus Schaden wird man
klug, sagt der Volksmund. Das Desaster des Banken- und Finanzcrashs
von 2008 soll auf jeden Fall vermieden werden, sind sich die G20
schon lange einig. Doch mit konkreten Maßnahmen, mit der Vorsorge
dagegen, tat man sich jahrelang schwer. Wohlfeile Absichtserklärungen
gab es viele. Doch wirklich geschehen ist bislang herzlich wenig. Nun
hat man sich endlich darauf verständigt, den international agierenden
Großbanken strengere Spielregeln vorzuschreiben. Und endlich sollen
auch die Geschäfte der sogenannten Schattenbanken, die sich
nationaler Kontrolle entziehen, umfassend geregelt werden. Freilich
kommt es nun darauf an, die Ankündigungen von Brisbane auch wirklich
verbindlich und kontrollierbar umzusetzen. Beim Austrocknen von
Steueroasen, die vor allem von großen Konzernen zur Vermeidung von
Abgaben an den nationalen Fiskus missbraucht werden, ist der G20-Club
dagegen noch nicht weitergekommen. Ein automatischer Datenaustausch,
wie er künftig für private Anleger gelten soll, scheiterte
bedauerlicherweise am Veto von Australien, Japan und Großbritannien.
Hoffnungen macht dagegen die Verständigung von Brisbane für den
weltweiten Klimaschutz. Ende kommenden Jahres könnte es auf der
Weltklimakonferenz in Paris tatsächlich zur Festlegung eines
verbindlichen Reduktionszieles für Treibhausgase kommen. Es wird
höchste Zeit. Die beiden größten Klimasünder, die USA und China, sind
offenbar bereit, ihre jahrelange Blockadehaltung aufzugeben. Auch
Schwellenländer, wie Indien oder Braslien, haben signalisiert, mit in
das Boot für den Klimaschutz zu steigen. Die Europäische Union nimmt
vor diesem Hintergrund eine Vorreiterrolle ein. Schaffen es die
Europäer, den Ausstoß klimaschädlicher Gase bis 2030 um 40 Prozent zu
senken – bei gleichzeitigem Wirtschaftswachstum – , dann wäre das
eine Marke, an der sich auch die anderen wichtigen Industriestaaten
nicht vorbeimogeln können. Es wäre zudem ein Vorbild für die
Entwicklungsländer, die ebenfalls auf den Pfad der erneuerbaren
Energien einschwenken könnten. Einige tun das bereits. Dennoch bleibt
der Weg zu nachhaltiger Energieversorgung, ohne die Erde über das
erträgliche Maß hinaus aufzuheizen, hart und steinig. Ohne den
Transfer von Technolgien und Geld in die weniger entwickelten Länder,
von Nord nach Süd, wird es nicht gehen. Eine wichtige Voraussetzung
dafür, dass solche wirklichen Überlebensfragen der Menschheit
überhaupt angegangen werden können, ist freilich, dass die vielerorts
aufflackernden militärischen Konflikte, der Terrorismus von IS, El
Kaida bis Hamas, beendet werden. Auch dafür wird Moskau gebraucht.

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