Mittelbayerische Zeitung: Scheinheilig

Von Thomas Spang

Die nach den Kongresswahlen versprochene Kooperation zwischen
Weißen Haus und Kongress ist vorüber bevor sie begonnen hat. Frei
nach dem Motto „Ist der Ruf erst ruiniert, regiert es sich völlig
ungeniert“, lässt Barack Obama beim Klimaschutz und der
Einwanderungspolitik die Muskeln spielen. Im Alleingang will er Dinge
tun, die der Kongress auf gesetzgeberischem Weg über Jahre nicht
angepackt hat. Exekutivbefehle sind nur Notbehelfe, doch nach Lage
der Dinge der einzige Weg, den Reformstau in Washington abzubauen.
Und konkrete Probleme zu lösen, die länger keinen Aufschub dulden.
Dazu gehört das Schattendasein von mehr als elf Millionen
Einwanderer, die in den USA leben, arbeiten, Steuern und
Sozialversicherung zahlen, aber keine Papiere haben. Dass Eltern von
Kindern mit amerikanischer Staatsbürgerschaft permanent mit der Angst
vor Abschiebung im Hinterkopf leben müssen, ist nicht nur verkehrt
sondern auch kontraproduktiv. Die Ressourcen wären an anderer Stelle
weit besser eingesetzt. Die Kritik der Republikaner am Vorgehen des
Präsidenten ist politisch verständlich, aber scheinheilig.
Tatsächlich sind die Scharfmacher in den eigenen Reihen der einzige
Grund, warum die Einwanderungsreform zunächst unter Präsident Bush
und nun Obama im Kongress scheiterte. Statt sich über den Präsidenten
zu beschweren, sollte Speaker Boehner das im Senat überparteilich
beschlossene Reformwerk zur Abstimmung stellen. Zusammen mit den
Demokraten fänden die moderaten Konservativen eine satte Mehrheit im
Repräsentantenhaus. Das wäre ein Signal für echte Kooperation.

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